Wolfstraeume Roman
Beste, das Unausweichliche zu tun und mein Schicksal anzunehmen. Das hieß, ich war bereit, für meine Mutter zu arbeiten. Nachdem ich mir während der ersten Tage wie eine Hochstaplerin vorgekommen war, gewöhnte ich mich nun an die neue Situation. Mitte November hatte sich dann eine Routine herauskristallisiert. Montags, mittwochs und donnerstags fuhr ich nach Beast Castle, um mich um die kranken Tiere und die Neuankömmlinge zu kümmern. Meine Mutter war so glücklich über die Tatsache, dass ich ihr nun unter die Arme griff, dass sie mich wie eine echte Tierärztin behandelte, meine Anweisungen mitschrieb und mich anrief, wenn sie meinen medizinischen Rat brauchte. Von dem Gehalt, das sie mir zahlte, ganz zu schweigen.
Pimpernell, der Chihuahua, hatte inzwischen ganz aufgehört zu fressen. Grania machte sich solche Sorgen um den kleinen Kerl, der ihr sehr ans Herz gewachsen war, dass sie kaum mehr ihrem Unterricht folgen konnte. Sie
kochte ihm ständig Delikatessen, um seinen Appetit anzuregen – gebratene Kalbsleber, Filet, Lammkoteletts. Alles nützte nichts. Ich entdeckte einen vereiterten Zahn in seinem winzigen Maul und ließ den Eiter ab. Danach wurde Pimpernell schnell wieder putzmunter, und Grania verwandelte sich in meine eifrigste Verehrerin.
Ich bekam so viel Auftrieb, dass ich drei ganze Wochen lang vergaß, meiner Mutter von der Schwangerschaft zu erzählen.
»Bist du dir sicher?«, fragte sie, als ich es ihr schließlich sagte. »Und du behältst es? Na ja, wollen wir es mal so sagen: Zumindest wird dann deine Ehe nicht mehr allzu lange halten. Sobald du ein Kind hast, wirst du sehen, welchen Mann du wirklich geheiratet hast.«
Sie plante für Thanksgiving, gemeinsam mit Grania zu uns zu kommen. Doch dann sagte sie im letzten Moment doch noch ab, weil sie angeblich eine Diät machte und an keinem Fressgelage teilnehmen wollte. Stattdessen flog sie nach Antigua, wo sie vorhatte, zu tauchen und in der Sonne am Strand Gewicht zu verlieren.
Als ich meinem Vater die Neuigkeit meiner Schwangerschaft mitteilte, zögerte er zuerst und wollte wissen, ob ich glücklich wäre. Er lud mich – wahrscheinlich meinte er uns – über die Weihnachtstage zu sich ein.
Abends litt ich unter starker Übelkeit, fühlte mich tagsüber aber überraschend gut. Es ging mir sogar so glänzend, dass meine Haare seidig schimmerten. Mein Geruchssinn war auf einmal noch stärker als sonst ausgeprägt. Meiner Frauenärztin zufolge war das alles ganz normal. Weniger normal war allerdings mein erhöhter Hörsinn. Nur mein Augenlicht war nicht besser geworden.
Vielleicht weil Hunde und Wölfe kurzsichtig sind, dachte ich und schickte Knox eine weitere E-Mail mit der Frage, wann er denn käme. Diesmal erhielt ich keine Antwort.
Meine alte Freundin, die Schlaflosigkeit, ließ mich noch immer drei oder vier Nächte in der Woche wach liegen. Dafür nickte ich nun des Öfteren am späten Nachmittag für eine Stunde ein, was mich insgesamt deutlich energiegeladener als sonst machte.
Da ich unserer Beziehung nun weniger Aufmerksamkeit zollte, schien sie besser zu laufen. Hunter verschwand zwar weiterhin auf den Speicher, um zu arbeiten, aber zu den Mahlzeiten tauchte er immer wieder auf und schmiedete Pläne für den Sommer, wenn das Baby geboren sein würde. Wir diskutierten über mögliche Namen und ob es für mich sicher genug war, Skifahren zu gehen. Nachts schmiegten wir uns aneinander. Allerdings wollte Hunter nun nicht mehr Sklavenmädchen oder Ähnliches mit mir spielen. Eines Morgens wachte ich auf und verspürte eine schläfrige Lust, als ich seinen warmen Körper neben dem meinen spürte. Ich ließ meine Hand verführerisch über seinen Schenkel wandern.
»Lass uns nur schmusen«, murmelte er und hielt meine Hand fest. Ich legte den Kopf auf seine Schulter, er streichelte mir über die Haare. Dann schlief ich wieder ein.
Die Behaarung unter meinen Achseln und an meinen Beinen wurde so dicht, dass ich mich zu schämen begann. Normalerweise rasierte ich mir nur die Achseln, da die Härchen an meinen Waden und Oberschenkeln kaum zu sehen waren. Doch auf einmal sah ich wie ein Yeti aus, und selbst mein Damenrasierer wurde auf einmal zu klein. Ich borgte
mir Hunters geliebten englischen Rasierapparat und auch seine Rasiercreme. Leider konnte ich mein schaumiges Fell nicht mehr aus den Klingen herausbekommen, so dass ich mich wie König Blaubarts Frau fühlte, die den blutigen Schlüssel zum verbotenen Zimmer vor ihrem
Weitere Kostenlose Bücher