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Wolfswechsel - Aktionspreis für begrenzte Zeit (German Edition)

Wolfswechsel - Aktionspreis für begrenzte Zeit (German Edition)

Titel: Wolfswechsel - Aktionspreis für begrenzte Zeit (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Gray
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Mensch oder eine Kuh ist. Insofern lag Steffens schon ganz richtig.
      Es dauerte Stunden. Draußen brach der Morgen herein, aber ich schaffte es. Ich drehte das Kalb und holte es auf die Welt.
      Ich weiß nicht wie ich es beschreiben soll. Aber es lag ein Zauber in der Luft an diesem Morgen. Ich hatte das Gefühl wie ein Küken aus dem Ei, aus der Zeit heraus in ein Land gefallen zu sein, das keine Lager, keinen Krieg, keine Schreie und keinen Hunger kannte.
    Ich trat in den Hof. Ich sah die Klarheit, mit der der Morgen durch die Dunkelheit brach. Ich hörte den Schrei einer Eule. Ich roch die Tiere und den frisch gefallenen Schnee. Ich sah die feinen Spritzer von Kuhmist im Gesicht des Jungen. Das Blut und den Schleim an meinen Armen und Händen und an denen des alten Steffens.
      Ich sah das Strahlen in Catharinas Augen. Ich hörte sie sagen „Sie sehen furchtbar aus.“
      Ich sah ihr Lächeln dabei.
    Eine Kuh und ihr Kalb brachten für ein paar Augenblicke fertig, was ich nie wieder für möglich gehalten hätte: Ich war eins mit mir und der Welt. Ich lebte und genoss es zu leben, weil ich dem Ungeheuer aus dessen Darm ich gekrochen war, das Leben eines Kalbs entgegengesetzt hatte.
      Der Junge fiel lachend in den Schnee.

PARIS / 1969
     
    „ Ich verstehe, wie Du Dich an diesem Morgen gefühlt hast. Und auch wie sehr man sich nach einem Bett für sich alleine sehen kann. Ich hatte zwei Schwestern und vier Brüder mit denen ich mir früher  das Bett habe teilen müssen.“
     „ Hm…“
    „ Ich brauch eine Zigarette“, verkündete Natalie, stand auf und trat zu einem Mädchen mit dunklen, lockigen Haaren, die all die Zeit auf ihrem Platz gesessen und stumpf zu Boden gestarrt hatte.
    Es fielen ein paar Worte, die er nicht verstand. Das fremde Mädchen schüttelte den Kopf. Natalie ließ die Freier aus, aber klapperte Mädchen um Mädchen ab. Schließlich kam  eine, die zu haben schien, was Natalie wollte. Aber eine von denen, die überall auf der Welt gleichermaßen verständliche Gesten vollzog: sie rieb Daumen an Zeigefinger.
    „ Sie will fünfundvierzig Franc für ihre Kippen. Ich bin blank, deine Hundert haben sie mir vorhin abgenommen. Machen sie immer so. Haben sie Dir was gelassen?“
    Wajda durchsuchte seine Taschen. Fand ein paar Münzen, zwei Zehner und einen Fünfer.
    „ Nur Vierzig – tut mir leid…“
    „ Macht nix, mehr kriegt sie hier sowieso von keinem.“ Natalie nahm das Geld.
      Er merkte nicht, dass der Preis den sie mit dem Mädchen für deren Zigaretten ausgehandelt hatte,  um einiges geringer war. Und der Rest des Geldes in Natalies Tasche wanderte.
    „ Sind nur noch zehn. Willst Du eine?“, bot Natalie ihm von den Zigaretten an.
    Wajda griff zu.
    „ Das Feuer war gratis.“
    Natalie zündete Wajdas Zigarette an, nahm dann selbst eine.
    „ Dann war deine Gräfin also eine Nazi, und verheiratet auch noch?“ Die Zigarette wippte zwischen Natalies Lippen auf und nieder während sie sprach. Der Blick eines fetten Mannes in einem schäbigen grauen Anzug blieb an ihnen hängen. Wajda sah Begehren in den Augen des Mannes aufflackern.
    „ Sie war keine Gräfin. Aber verheiratet – das war sie schon.“

Mein zweiter Morgen auf dem Gut. Kaltes trübes Wetter, wie all die Tage zuvor. Steffens war draußen auf den Koppeln hinterm Haus.
    Ich stand im Hof, hackte Holz. Ich trug nur Hemd, Hose und Stiefel. Die Kälte machte mir nichts aus.
    Der Junge saß in seinen Mantel gewickelt auf dem Holzhaufen und zeichnete.
      Er hatte mich mit Fragen über den Krieg, die Front und die Russen bestürmt. Ich hatte sie ignoriert. Jetzt spielte er den Beleidigten. Das Zeichnen war seine Art sich von dem, was ihn wütend machte oder ihm unverständlich war zurückzuziehen. Manchmal, wenn ich ihn so in irgendeiner Ecke hocken sah, meinte ich, er versinke in seinen Zeichnungen wie in einem tiefen Meer.
    Ich bin sicher, dass Catherina schon eine ganze Weile am Fenster gestanden und mir zugesehen hatte. Ihre Blicke waren so intensiv, dass ich fast fürchtete, sie könnten Flecken auf mir hinterlassen.
      Aber als ich mich nach ihr umsah, wandte sie sich ab. Sie hatte mich nicht gefragt weshalb ich geblieben war. Überhaupt hat sie kaum mit mir gesprochen. Mit mir sprachen nur Steffens und der Junge. Für ihn war der Krieg ein großes Abenteuer. Er war zu jung, um sich für sterblich zu halten. Er verstand einfach nicht wieso ich mich nicht sofort auf den Weg zurück zur Front gemacht

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