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Wolken über dem Meer: Roman (German Edition)

Wolken über dem Meer: Roman (German Edition)

Titel: Wolken über dem Meer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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oder sogar noch mehr – lieben würde. Doch ihr Versprechen stieß auf taube Ohren.
    »Versprechen«, sagte sie nun.
    »Was für Versprechen?«
    Lily war wie in Trance – ihr Kind wurde vermutlich gerade an die Herz-Lungen-Maschine angeschlossen. Der Gedanke war so schrecklich, dass ihr Trauma wieder auflebte. Sie begann zu zittern und konnte nicht damit aufhören.
    »Ich habe Roses Vater etwas versprochen«, sagte sie. »Ich habe ihm versprochen, dass wir für immer zusammenbleiben und dass ich ihn nach der Geburt des Kindes genauso oder noch mehr lieben würde. Ich habe versprochen, dass sie mich nicht ständig beanspruchen würde – dass immer noch genug Zeit für ihn bliebe. Sogar mehr. Weil ich meine Arbeit aufgeben und zu Hause bleiben würde …«
    »Lily, vergiss ihn. Er ist es nicht wert, dass du auch nur ein einziges Wort oder einen Gedanken an ihn verschwendest.«
    Stimmt, dachte Lily. Sie hatte Liam schon am ersten Abend von ihm erzählt – halb von Sinnen vor Schmerz, sowohl dem körperlichen der Entbindung als auch dem emotionalen nach der lebensrettenden Flucht vor Roses Vater. Sie unterdrückte ein Schluchzen.
    »Und deine Tränen verdient er erst recht nicht.« Liam beugte sich vor, um ihre Stirn, ihre Wange, ihren Mundwinkel zu küssen.
    »Früher habe ich mich selbst verrückt gemacht, weil ich mich fortwährend fragte, warum .«
    » Warum was?«
    »Warum Rose? Warum musste ausgerechnet sie mit solchen Problemen zur Welt kommen? In unserer Familie gibt es keine Herzerkrankungen – der einzige Mensch, der jemals einen Herzanfall hatte, war mein Urgroßvater, und der war einundneunzig. Ich habe mich während der Schwangerschaft gesund ernährt – keinerlei Koffein mehr zu mir genommen. Auf den Wein habe ich schon vor der Schwangerschaft verzichtet … und geraucht habe ich nie. Ich habe in Maßen Sport getrieben. Also warum?«
    »Ich weiß es nicht, Lily.« Er küsste ihre Hände, blickte ihr tief in die Augen.
    »Die Ärzte wussten es auch nicht. Es heißt, die Fallotsche Tetralogie sei keine Erbkrankheit. Sie kann jeden treffen – rein zufällig.«
    »Lily, bitte hör auf, dich zu quälen …«
    »Dabei klingt alles so einfach – ist es ja auch für andere Kinder. Luft und Blut treffen in der Lunge zusammen, und dann pumpt das Herz das Blut durch den Körper. Warum funktioniert das bei Rose nicht? Ist doch ganz simpel …«
    »Es funktioniert bei Rose, nur nicht ganz optimal«, sagte Liam sanft. »Sie musste ein paar Herausforderungen bewältigen. Aber ich glaube den Ärzten. Sie sagen, das sei für lange Zeit die letzte Operation.«
    »Lange, lange Zeit«, korrigierte ihn Lily.
    »Richtig. Lange, lange Zeit. Und wir werden sie beim Wort nehmen.«
    Wir. Wieder dieses Wort.
    »Zugegeben, einige Dinge sind rätselhaft, was Rose betrifft. Keine Ahnung, warum. Vielleicht werden wir es nie erfahren. Aber es gibt auch andere Fragen, auf die wir keine logische Antwort wissen. Zum Beispiel, warum ich ausgerechnet in der Nacht, als Rose geboren wurde, in deinem Haus aufgetaucht bin. Warum ich dir ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt die Bücher zurückbringen musste. Und warum ich nie wieder gehen wollte, sobald ich durch die Tür getreten war.«
    »Liam.« Sie dachte an die Versprechen, die er in jener Nacht gegeben hatte, und wünschte sich zum ersten Mal, dass er sie einhalten würde.
    »Warum«, begann er, doch dann verstummte er. Seine Lippen bewegten sich auf ihrer Haut, und sie glaubte ihn murmeln zu hören »Warum liebe ich euch beide so«. Doch dann wurde ihr klar, dass er nur ihren Nacken geküsst hatte – ohne etwas zu sagen. Natürlich waren solche Worte nicht über seine Lippen gekommen – sie befanden sich schließlich mitten im Warteraum, wo Krankenschwestern, Ärzte und andere Eltern ein und aus gingen.
    Sie hielt seine Hand fester und lauschte; sie merkte plötzlich, dass sie sich in ihrem Körper zu Hause fühlte, innerlich Gestalt annahm, kein Geist mehr war, losgelöst von der Realität, gefühllos und traumatisiert.
    »Wir lieben dich auch«, hätte sie gerne gesagt, aber sie schwieg. Sie wollte es ihm sagen, weil ihr mit einem Mal klarwurde, dass dieser Mann immer für Rose und sie da, immer an ihrer Seite gewesen war, seit dem ersten Tag. Er war wie ein Vater für Rose. Der leibliche Vater zählte nicht – nicht das Geringste. Liam war ein Grund, warum Rose sich geliebt fühlte, ein Grund, warum sie wuchs und gedieh.
    »Du hast recht«, bekannte sie. »Es gibt

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