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Wolken über dem Meer: Roman (German Edition)

Wolken über dem Meer: Roman (German Edition)

Titel: Wolken über dem Meer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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könnte ja auch ein Serienmörder sein. Einen völlig Fremden ins Haus einer Freundin zu schicken, damit er ein Nickerchen macht, nicht zu fassen! Wo waren wir stehen geblieben – daraufgekommen bin ich, als Ihre Freundin Marlena die Nanouks erwähnte.«
    »Entschuldigung?«, fragte Anne eisig, was einen Widerhall bei mehreren Frauen erzeugte, die hinter ihr standen und Patrick anstarrten, als wollten sie ihn erdolchen.
    »Die Nanouks. Sie erklärte, die Nanouks hätten ihr geholfen, die Scheidung durchzustehen, und da wusste ich Bescheid.«
    »Und was glauben Sie zu wissen?«, hakte eine der anderen Frauen nach.
    »Sie sagte, das sei ein Volksstamm gewesen, Kriegerinnen aus grauer Vorzeit, die nichts anderes am Leibe trugen als die Morgen- und Abendröte, so etwas in der Art.«
    »Aus grauer Vorzeit«, kicherte eine der Frauen.
    »Aurora borealis, auch Nordlicht genannt und nicht Morgen- und Abendröte«, korrigierte ihn eine andere.
    » Wir sind die Nanouks«, klärte Anne ihn auf. »Freundinnen, die sich zu einem Club dieses Namens zusammengefunden haben.«
    »Freundinnen?« Er blickte über ihre Köpfe hinweg auf ein Plakat, das für Walbeobachtungstouren warb – mit den Umrissen einer Walschwanzflosse, die aus dem Meer ragte.
    »Ja. Wir unterstützen uns gegenseitig.«
    Patrick runzelte verdutzt die Stirn. Wenn das stimmte … dann konnte er die Verbindung zu dem gestickten Brillenetui herstellen, das er bei Maeve gesehen hatte. Ein scheinbar unbedeutender Gegenstand, der immer auf dem Beistelltisch neben dem Bücherstapel lag – ein Brillenetui mit cremefarbenem Untergrund und dem Wort ›Nanouk‹ in Blockbuchstaben, aufgestickt mit Garn in verschiedenen Blauschattierungen. Und daneben die Silhouette einer Walschwanzflosse, in verblassten, vom häufigen Gebrauch fadenscheinigen Stichen.
    »Wenn das stimmt«, sagte er, »dann behaupte ich, dass Mara Jameson Mitglied in Ihrem Club ist.«
    »Wir kennen keine Mara Jameson«, sagte Anne, als Patrick das Foto herumgehen ließ.
    »Sie kennen Sie vielleicht unter anderem Namen. Aber sie ist hier, da bin ich mir hundertprozentig sicher. Und sie hat eine neunjährige Tochter.«

    Marisa und Jessica saßen in Annes Büro, abseits der Eingangshalle, und beobachteten alles durch die Glastür. Sie waren vorgewarnt. Anne hatte sie gerade noch abgefangen, als sie mit einer weiteren Fuhre Kiefernnadelkissen im Gasthof erschienen waren. Aufgrund der Aufregung über den Besuch eines Polizeibeamten, der trotz Ruhestand nach einer vor neun Jahren verschwundenen Frau fahndete, hatte Anne umgehend eine Krisensitzung der Nanouks einberufen, um zu entscheiden, was sie tun sollten.
    Einige der Frauen, die Opfer häuslicher Gewalt geworden waren, hatten schlechte Erfahrungen mit der Polizei und den Gerichten gemacht. Das Rechtssystem trug dem Problem keine Rechnung. Polizisten und Richter sahen sich mit einem sympathisch wirkenden, beredten Mann wie Ted und einer heulenden, völlig aufgelösten Frau wie Marisa konfrontiert, und in den meisten Fällen glaubte man dem Ehemann.
    Einmal war Marisa vor Gericht gegangen, um eine einstweilige Verfügung gegen ihn zu erwirken – doch da sie keine sichtbaren Spuren einer Gewaltanwendung vorweisen konnte und seine Drohungen mehr als zehn Stunden zurücklagen, hatte sich der Richter geweigert, ihrem Antrag zu entsprechen. Sie hatte den Gerichtssaal am ganzen Körper zitternd verlassen. Wie sollte sie erklären, dass sie sich in einem Schockzustand befunden hatte und sich kaum an jedes einzelne Wort erinnern konnte, nur an die Todesangst, als er sie an den Haaren gepackt und gedroht hatte, dass er sie aufspüren und ihre Tochter dafür büßen lassen würde, wenn sie jemals auf die Idee käme, ihn zu verlassen?
    Marisa wusste, dass einige Nanouks – älter, lebenserfahrener und abgehärteter als sie – ähnliche Erfahrungen mit der Polizei gemacht hatten. Deshalb hatte Anne keine Entscheidung treffen wollen, ohne sich mit den anderen zu besprechen. Und Marisa war heilfroh über die Ratschläge ihrer Freundinnen gewesen, um für sich selbst einen Entschluss zu fassen.
    »Wenn du dem Polizisten erzählst, was passiert ist, kommt Ted vielleicht ins Gefängnis«, sagte Jessica, die aus dem Fenster spähte.
    »Oder auch nicht.«
    »Er hat Tally umgebracht.«
    »Ich weiß.«
    »Und er hat gesagt, dass er uns etwas antun wird.«
    »Genau. Deshalb ist Vorsicht geboten. Und dem Polizisten von Ted zu erzählen ist nicht unbedingt der sicherste

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