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Wolken über dem Meer: Roman (German Edition)

Wolken über dem Meer: Roman (German Edition)

Titel: Wolken über dem Meer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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könne sich nicht erinnern, die Frau auf Cape Hawk gesehen zu haben.
    »Na gut. Hören Sie, ich bin sicher, Ihre Mahlzeiten sind köstlich, aber ich muss in den Gasthof. Ich habe ein paar Fragen und kann gleich dort einen Happen zu mir nehmen. Ich hoffe, Camille Neill ist noch dort …«
    »Natürlich ist sie dort! Sie ist nie weg. Ihr gehört der Laden, und sie regiert ihn mit eiserner Hand. Bitte bleiben Sie, Detective Murphy. Was soll Camille denken, wenn sie erfährt, dass sie im Rose Gables abgestiegen sind und nichts zu essen bekommen haben? Apropos Rose Gables, möchten Sie wissen, wie meine Pension zu ihrem Namen gekommen ist? Haben Sie bei Ihrer Ankunft die weißen Rosen bemerkt, die sich am Spalier hochranken? Ich habe sie eigenhändig gepflanzt und gezogen. Ich weiß, mein Haus ist eine bescheidene, armselige kleine Hütte …«
    »Marlena.«
    »Alles andere als pompös, nicht was man von einem Anwesen mit dem Namen Rose Gables erwarten könnte, aber es ist mein erstes eigenes Heim. Ich habe es nach der Scheidung gekauft.«
    »Eine faszinierende Geschichte, aber …«
    »Ich habe jede Menge Unterstützung von meinen Freundinnen erhalten, den Nanouks, die mir lieb und teuer sind.«
    »Den was?« Er überlegte, warum ihm der Name so vertraut vorkam.
    Marlena hantierte am Backofen, öffnete und schloss die Ofentür. Er hörte, wie die Luft entwich, als sie eine Tüte Kartoffelchips aufmachte. Wie sie den Deckel eines Schraubverschlussglases aufdrehte. Gleich darauf betrat sie das Esszimmer, ein Tablett in den Händen. Darauf befanden sich ein gesticktes Tuch, eine Vase mit einer einzelnen weißen Rose und ein Teller, der mit einem zweiten gestickten Tuch zugedeckt war.
    »Voilà!« Marlena zog mit einem Ruck das Tuch weg.
    Patrick starrte fassungslos auf das Abendessen, das sie gezaubert hatte: gegrilltes Käsesandwich, Pickles und scharf gewürzte Kartoffelchips.
    »Donnerwetter«, sagte er. Sollte das ein Scherz sein? Zum ersten Mal fragte er sich ernsthaft, ob er in einer neuschottischen Version von ›Bates Horrormotel‹ aus dem Film Psycho gelandet war, wo man ihn unter der Dusche abstechen würde. Oder ob sie plante, ihn wie die durchgeknallte Krankenschwester in Misery ans Bett zu fesseln und zu misshandeln. Das Sandwich sah genießbar aus, also griff er zu – verdrückte es, so schnell es ging. Vielleicht war sie wirklich stolz auf ihre überbackenen Käsebrote … auch wenn der Vergleich zwischen ihrer Hausmannskost und den kulinarischen Attraktionen des Gasthofs hinkte.
    »Sehr gut«, sagte er. »Vielen Dank. Jetzt muss ich aber los …«
    »Wollen Sie sich nicht das Baseballspiel anhören?« Ihre Stimme klang überdreht und ein wenig verzweifelt. »Oder soll ich Ihnen etwas vorspielen? Das macht Spaß – ich habe als Kind Blockflöte gespielt und seit meiner Scheidung viel geübt. Oh, wie wäre es, wenn ich Ihnen meine Stickarbeiten zeige? Ich weiß, die meisten Männer machen sich nicht viel daraus …«
    Bevor er sie daran hindern konnte, hatte sie so etwas Ähnliches wie einen Handarbeitsbeutel hervorgeholt. Er musterte das Gitter, das Garn, das Was-auch-immer. Marlenas Stickerei erinnerte ihn an etwas, aber er wusste nicht, an was. Noch weniger war ihm klar, warum er den Mund aufmachte und fragte: »Was war das vorhin? Die Nanouks? Was soll das sein?«
    »Ein Volksstamm aus grauer Vorzeit, Kriegerinnen.« Ihr Gesicht war aschfahl. »Sie lebten in Nova Scotia. Sie hüllten sich in Nordlicht, Seetang und Perlmutt; sie jagten auf den Klippen und in den Buchten, überlebten jede Eiszeit, der sie sich gegenübersahen.«
    »Und sie halfen Ihnen, die Scheidung zu verkraften?« Er starrte ihre Stickerei an, und plötzlich dämmerte es ihm.
    »Ja.«
    »Sie haben mich belogen, nicht wahr?«
    »Ich lüge nicht. Die Nanouks haben mir geholfen.«
    »Sie kennen Mara Jameson.«
    Marlena Talbot schwieg, doch ihr gerötetes Gesicht und die Tränen hilfloser Wut in ihren Augen verrieten sie. Patrick Murphy nahm das Foto und seine Autoschlüssel und marschierte davon.
    Kaum saß er im Wagen, holte er sein Handy heraus. Er musste dringend anrufen – es gab eine Person, der er mitteilen wollte, wie dicht er Mara auf der Spur war. Diese Person hatte die ganze Zeit gewusst, wo sie steckte – dessen war er nun ganz sicher. Bei dem Wort ›Nanouks‹ war der Groschen endlich gefallen. Er wählte die Nummer, die er auswendig kannte, bereit, ihr die Leviten zu lesen – doch sie hob nicht ab, und er hatte

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