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Wolken über dem Meer: Roman (German Edition)

Wolken über dem Meer: Roman (German Edition)

Titel: Wolken über dem Meer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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musste ebenfalls zahlreiche Operationen über mich ergehen lassen. Deshalb hat sie sich einfach … ausgeklinkt. Ich hätte sie gebraucht, genau wie Rose dich braucht. Ich habe dir etwas versprochen und ich werde dieses Versprechen niemals brechen – ich werde immer für euch da sein. Wenn du jemanden brauchst, der dir den Rücken stärkt, ruf mich an, und ich werde zur Stelle sein. Der Doktor hat recht: Rose ist eine Kämpferin. Du wirst sehen. Sie ist ein Phänomen.«
    »Ein Phänomen«, murmelte Lily und sah ihn mit verweinten Augen an.
    »Das war mir schon in der Minute klar, als sie geboren wurde.«
    »Wie meinst du das?«
    »Nun, das werde ich dir irgendwann einmal verraten.«
    Auch heute, neun Jahre später, war der harte Weg noch nicht zu Ende. Lily saß an Roses Bett. Liams Luftballons waren am Gitter festgebunden. Sie waren geschrumpft, aber Rose weigerte sich, sie wegnehmen zu lassen. Lily sah auf ihre Uhr – Liam war noch nicht zurück. Sie versuchte wieder zu sticken, aber sie war nicht bei der Sache – es gelang ihr nicht, sich auf das Gitterleinen zu konzentrieren.
    Sie hatte ihm ständig gesagt, dass seine Anwesenheit überflüssig sei, doch in Wahrheit fühlte sie sich leer, wenn er weg war. Seit sie Roses Vater vor neun Jahren verlassen hatte, war sie stark und selbstsicher geworden. Sie hatte sich eingehend über das Thema häusliche Gewalt informiert und erkannt, in welcher Gefahr sie sich damals befunden hatte. Sie hatte sich mit ihren Schuldgefühlen, weil sie so lange bei ihm ausgeharrt hatte, auseinandergesetzt und auch mit ihrem Kummer über die erlittenen Verluste. Sie war eine Kämpferin, genau wie Rose.
    Doch in Augenblicken wie diesen erkannte sie, wie viel ihr Liams Versprechen bedeutet hatte. Da sie stark und zäh war, wollte sie sich auf niemanden verlassen. Doch Liam gehörte einer eigenen Kategorie an – er war nicht einfach irgendwer. Sie redete sich ein, dass sein Versprechen Rose galt. Rose liebte ihn – daran konnte es keinen Zweifel geben.
    Und deshalb erhob sich Lily, Rose zuliebe, von ihrem Stuhl und ging zum Fenster. Das Mahnmal, das an den Ersten Weltkrieg erinnerte, schimmerte in dem spiegelnden Wasser des Teiches. Einige Ärzte und Klinikbesucher hatten Stühle in den Schatten der Bäume gestellt und lasen. Lily presste ihre Stirn an die Glasscheibe und versuchte, den Reiher zu entdecken. Doch der Vogel war von dieser Stelle aus nicht zu sehen.
    Und auch von Liam gab es keine Spur. Vielleicht hatte er es satt, sie mit sanfter Gewalt zu zwingen, ihn sein Versprechen halten zu lassen. Sie konnte es ihm kaum verdenken.
    Die Sache war nur: Er hatte ihr nie erzählt, warum er Rose als ›Phänomen‹ bezeichnet hatte. Vielleicht hatte sie nichts davon hören wollen oder Angst gehabt, ihm zu glauben. Doch angesichts der schweren Operation, die vor Rose lag und ihr vielleicht endlich ein gesundes Herz bescheren würde, fand Lily es an der Zeit, die Geschichte zu erfahren. Sie ertappte sich bei der Hoffnung, dass Liam bald zurückkehren möge.

Kapitel 18
    L iam bog um kurz vor acht auf den Parkplatz der Klinik ein – vielleicht hatte er noch die Chance, Rose zu sehen, bevor die Besuchszeit endete. Was er gerade auf dem Computerbildschirm entdeckt hatte, versetzte ihn in helle Aufregung – MM122, blinkend, lebendig und in Sicherheit, doch an einem völlig unerwarteten Ort, so dass er es zunächst einmal unterlassen hatte, die Koordinaten des GPS ins Programm einzugeben – weil sie so unwahrscheinlich anmuteten.
    Als er die Eingangshalle betrat und in den Fahrstuhl stieg, war er verblüfft – die urwüchsige frische Luft von Cape Hawk stand im krassen Gegensatz zu der hermetisch abgeriegelten Atmosphäre des Krankenhauses. Wann würde Rose so weit wiederhergestellt sein, dass sie nicht mehr Dauergast in solchen Gefängnissen sein musste? Seine Aufregung darüber, dass er Nanny gefunden hatte, schwand, wich einem nahezu physischen Schmerz, wenn er an Roses eingeschränktes Leben dachte – das neunjährige Mädchen, das er liebte, hatte viele Tage in diesem Kerker verbringen müssen, eingesperrt in ihrem eigenen Körper.
    Doch als er das Stockwerk erreichte, auf der sich die Station befand, hatte er sich beruhigt, und seine Miene war beherrscht. An der geöffneten Tür ihres Zimmers blieb er stehen.
    Lily hatte den Stuhl neben das Bett gezogen und stickte, während Rose las. Die dunklen Haare fielen ihr ins Gesicht, eine akkurate Frisur wie die Schwingen eines

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