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Wolken über dem Meer: Roman (German Edition)

Wolken über dem Meer: Roman (German Edition)

Titel: Wolken über dem Meer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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Bürde einer Liebe, die so tief in ihrem Inneren vergraben war, dass sie fast nicht mehr daran gedacht hatte. Sie sah ein vertrautes Lächeln aufblitzen, blaue Augen, silbernes Haar, knorrige Finger, die den Holzgriff eines Spatens umfassten.
    »Ich wünschte, du könntest sie kennenlernen.« Sie blickte auf, in Liams tiefblaue Augen. »Sie war schon immer sehr wichtig für mich – die wichtigste Bezugsperson, bis Rose geboren wurde. Ich weiß, es sieht so aus, als sei ich undankbar. Aber das hat sich dieses Mal geändert. Ich weiß, was du für mich getan hast, für Rose. Ich danke dir, dass du bei uns bist. Das Warten fällt so schwer … und ich mache mir große Sorgen, Liam.«
    »Wegen der Operation?«
    Lily nickte und schlang die Arme um sich. Die Grillen machten einen Heidenlärm. Fledermäuse kreisten um das orangefarbene Licht des Denkmals. Ihr Herz sank, als sie an Roses Schulaufsatz über Echokardiogramme und das Sonarsystem der Fledermäuse dachte.
    »So etwas ist mir noch nie passiert. Rose ist – nun, du kennst sie ja. Alle sagen, sie sei eine Kämpferin, und das stimmt. Das ist sie wirklich! Sonst hätte sie die Herzinsuffizienz nicht durchgestanden, an der sie seit ihrer Geburt leidet. Aber das muss ich dir ja nicht erzählen – du warst schließlich dabei. Wir haben uns irgendwie damit arrangiert, haben nie mit dem Schicksal gehadert. Ich habe mir ein Beispiel an ihr genommen, sie war immer so tapfer. Doch dieses Mal – Liam, das Warten macht mich verrückt. Was ist, wenn ihr etwas passiert? Oder die Operation nichts bringt?«
    »Sie wird erfolgreich sein.« Liam stand unmittelbar vor ihr. Gebannt blickte sie in seine Augen – er schien absolut davon überzeugt zu sein.
    »Ich halte das Warten nicht mehr aus«, flüsterte sie.
    »Du sagtest, du würdest dir wünschen, ich könnte jemanden kennenlernen, der dir sehr nahesteht. Das Gleiche gilt für mich. Ich wünschte, du könntest meine Familie kennenlernen.«
    »Jude kenne ich doch schon«, erwiderte sie, verwirrt über den Themawechsel. »Und Anne und die anderen Neills. Camille eingeschlossen …«
    Liam schüttelte den Kopf. »Andere, die nicht mehr unter uns sind. Deshalb bin ich mit dir zu dem Kriegerdenkmal gegangen; hier habe ich mit meinem Vater gestanden, an dem Tag, als mein Bruder geboren wurde.«
    »Connor. Der als kleiner Junge von einem Hai getötet wurde …«
    »Ja. Wir standen genau hier, an dieser Stelle. Ich war erst drei und machte mir Sorgen um meine Mutter. Sie lag in der Klinik, und ich begriff nicht, warum. Mein Vater deutete auf das Denkmal und erzählte mir eine Familiengeschichte. Mein Urgroßvater war Soldat im Ersten Weltkrieg.«
    »Dein Urgroßvater väterlicherseits?«
    »Ja. Tecumseh Neill – der Sohn des Seekapitäns und Gründer von Cape Hawk, nach dem die Boote benannt sind. Er kämpfte in Frankreich, und es trafen nur selten Briefe von der Front ein. Sogar sein Vater, der unerschrockene Kapitän eines Walfängers, hatte Angst, dass sein Sohn nie mehr nach Hause kommen würde.«
    »Und?«
    »Mein Vater erzählte, sein Großvater sei auf dem Schlachtfeld verwundet worden, man hatte ihn zuletzt in einem schlammigen Schützengraben liegen sehen. Das Panzerbataillon, dem er angehörte, musste den Rückzug antreten – und als es wieder Boden gewann und ins Feldlager zurückkehrte, sei er verschwunden gewesen. Es hieß, er galt als vermisst. Die ganze Familie wartete auf eine Nachricht, hielt ihn aber für tot. Die Zeit verging – Wochen und Monate.«
    »Wie schrecklich.«
    »Alle gaben die Hoffnung auf, außer seiner Liebsten – meine Urgroßmutter. Sie war fest davon überzeugt, dass er lebte.«
    Lily nickte beifällig – das konnte sie gut verstehen. Die Verbindung zu einem Menschen blieb, selbst wenn man ihn nicht sehen konnte. Sie hatte die Verbindung zu der Frau im Garten, die sie über alles liebte, nie verloren. Sie war wie ein glimmender Funke, der nun in ihr aufflammte. Die gleiche Verbindung hatte sie auch zu Rose.
    »Sie spürte, dass er noch lebte?«
    »Ja. Sie war sich absolut sicher. Doch jeder Tag, der ohne ein Lebenszeichen von ihm verging, war eine Qual. Sie wusste, dass er irgendwo in Frankreich sein musste, aber sie konnte nicht hinfahren und ihn suchen. Sie wusste, dass er sie brauchte – genauso, wie sie ihn brauchte.«
    »Dein Vater erzählte dir die Geschichte, weil er merkte, dass du deine Mutter brauchtest.«
    »Genau. Und wie Dreijährige eben so sind, glaubte ich, dass

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