Wolken über der Wüste
Nachmittag Zeit. Ich habe sie seit dem Schulabgang nicht mehr gesehen.“
Er zögerte, und sie erkannte daran, dass er ihr nicht ganz traute. Er sah sie durchdringend an und sagte schließlich: „Na gut. Aber Philippe wird morgen wieder zurück sein, und ich erwarte, dass du dann hier bist.“
„Aber sicher.“
Sie war blass und längst nicht so selbstsicher, wie sie sich anhörte. Trotzdem lächelte sie ihn kurz an, bevor sie in ihr Zimmer ging, um sich umzuziehen.
Eve, Briannes Mutter, überließ das Baby der Nanny und schlüpfte schnell in das Zimmer ihrer Tochter. Brianne zog sich gerade eine grüne Bluse an, die genau zu ihren Augen passte.
„Hat er mit dir gesprochen?“ fragte Eve hastig.
„Ja.“ Brianne sah die Mutter besorgt an. Deren ehemals so hübsches Gesicht wies die ersten Falten auf, und Angst stand in den hellen Augen. „Das kann man so sagen.“
Eve rang die Hände. „Ich hatte keine Ahnung, dass er so weit gehen würde, Brianne“, sagte sie mit kläglicher Stimme. „Ich weiß, du magst Mr. Sabon nicht, und ich weiß auch, was man über ihn sagt. Aber er ist sehr reich und mächtig …“
„Und du denkst immer noch, Geld ist das Wichtigste auf der Welt“, sagte Brianne und sah die Mutter verächtlich an.
Eve wich ihrem Blick aus. „Das habe ich nicht gesagt. Dieser Mann kann dir alles geben, was du verlangst. Und es würde Kurt glücklich machen.“
„Das Glück deines Mannes ist mir reichlich egal, Mutter“, sagte Brianne, und ihre Stimme klang eiskalt. „Und wenn du glaubst, ich heirate diesen Mann, um Kurt Brauer glücklich zu machen, dann hast du dich leider getäuscht.“
Eve sah sie entsetzt an. „Das hast du ihm doch hoffentlich nicht gesagt?“ Aus ihrer Stimme sprach Panik.
„Natürlich nicht“, sagte Brianne schnell, „ich bin doch nicht verrückt, Mutter. Aber er hat ganz eindeutig damit gedroht, dir und dem Baby zu schaden, wenn ich mich seinen Wünschen nicht beuge“, fügte sie langsamer hinzu. Ihre Mutter und sie hatten nie ein besonders gutes Verhältnis gehabt. Das war in Situationen wie dieser besonders bedauerlich, denn sie hätten sich gegenseitig helfen und trösten können. Eve hatte sich immer jünger gemacht, als sie war. Kein Wunder, dass sie die erwachsene Tochter manchmal als Bedrohung empfand. Wie viele hübsche Frauen konnte sie mit dem Älterwerden nicht umgehen.
Eve machte eine hilflose Geste mit ihrer perfekt manikürten Hand. Sie wirkte verzweifelt. „Ich weiß, Kurt wird sehr schnell wütend. Nicht, dass ich es oft erlebt hätte“, ergänzte sie mit einem schnellen Blick auf die Tochter, „aber wir haben uns oft deinetwegen gestritten. Das war einer der Gründe, weshalb ich einverstanden war, dass er dich nach Paris auf diese Schule schickte. Auch ansonsten herrscht hier nicht gerade Entspannung, besonders seit er mit Mr. Sabon zu tun hat.“ Sie lachte nervös auf und strich sich eine Strähne des blond gefärbten Haars zurück. Dabei sah sie die Tochter beinahe flehend an. „Könntest du nicht so tun, als würdest du mit der Heirat einverstanden sein? Dann hätte ich Zeit, mir etwas einfallen zu lassen. Da ist doch auch Nicholas … ich könnte es nicht ertragen, wenn Kurt …“ Ihre Stimme brach ab. „Du weißt, Brianne, wenn es um das Sorgerecht geht, hätte ich keine Chance, ich habe ja kein eigenes Geld. Bitte! Wenn du es nicht für mich tun willst, tu es für Nicholas. Du kannst dir doch vorstellen, was für ein Leben er ohne mich hätte.“
Ja, leider konnte Brianne sich das nur zu gut vorstellen. Er würde von der Barmherzigkeit eines Mannes abhängen, der keine Gnade kannte. Sie runzelte die Stirn, während sie die Bluse über ihren kleinen Brüsten zuknöpfte. Dann drehte sie sich um und sah die Mutter traurig an. „Du hast mal gesagt, dass du glücklich sein würdest, wenn du viel Geld hättest. Bist du immer noch dieser Meinung?“
Eve wurde blass. „Ich hatte es so satt, immer arm zu sein“, sagte sie schließlich, „und das, obwohl ich ständig arbeitete. Dein Vater hatte überhaupt keinen Ehrgeiz.“
„Nein, aber er hatte ein gutes Herz und war ein großzügiger Mann“, sagte Brianne ruhig, „er hätte dich nie geschlagen.“ Ihr Gesicht blieb ungerührt, als sie jetzt die Frau musterte, die sie zwar aufgezogen, aber nie geliebt hatte oder sich auch nur Gedanken darum gemacht hatte, was mit ihr geschah. Ganz sicher hatte sie sie nicht so behandelt, wie sie jetzt mit dem Baby umging, das sie drückte
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