Wolken über der Wüste
schüchtern an. „Ich fürchte, ich habe nicht viel Ahnung, was die Politik anderer Länder betrifft.“
Er lächelte. „Du solltest dich ein bisschen damit befassen. Man kommt viel besser mit Menschen aus, wenn man weiß, was in ihrem Land los ist, nicht nur in politischer Hinsicht, sondern auch in Bezug auf ihre Religion und die gesellschaftlichen Verhältnisse.“
„Wie viele Sprachen kannst du?“
Er zuckte mit den Schultern. „Fließend nur drei.“ Er sah sie an und grinste. „Weißt du, wie ein Araber einen Analphabeten definiert?“
„Nein. Wie?“
„Als jemanden, der nur eine Sprache spricht.“
Sie lachte etwas verlegen. „Also jemanden wie mich.“
„Ich werde dir Griechisch beibringen. Es ist eine wunderbare Sprache.“
Sie wusste, dass er Französisch sprach. Merkwürdig, dass er ihr dann gerade Griechisch beibringen wollte. Vielleicht wegen Margo, dachte Brianne traurig, weil Margo Französin gewesen war. Wahrscheinlich hatte er Französisch gesprochen, wenn er sie liebte. Sie blickte auf seine kräftigen männlichen Hände und musste wieder daran denken, was sie bei den Berührungen am Pool empfunden hatte. Er hatte ihr allein mit seinen Händen gezeigt, zu welchen Empfindungen ihr Körper fähig war, und unwillkürlich schnappte sie nach Luft.
Pierce schaute sie fragend von der Seite an, und sie errötete und richtete den Blick schnell auf ihren Teller.
Er wusste genau, was in ihr vorging, konnte in ihr lesen wie in einem offenen Buch. Er nahm die Folie von seinem Essen ab und griff nach dem Brötchen. Zu seiner eigenen Überraschung spürte er ein angenehmes Ziehen, als er sich an Briannes Bewegungen unter seinen Händen erinnerte. Sie war unerfahren, aber sie war wissbegierig und leidenschaftlich. Er konnte sich sehr gut vorstellen, wie es sein würde, wenn er mit ihr schlief, und er sehnte sich insgeheim danach. Wenn er jedoch ernsthaft daran dachte, sah er Margos geliebtes Gesicht vor sich. Sofort plagte ihn ein schlechtes Gewissen, und er fühlte sich wie ein Verräter, weil er daran dachte, mit einer anderen Frau zu schlafen.
Brianne aß das Hühnchenfilet und nickte der Flugbegleiterin zu, die mit einer Kanne Kaffee vorbeikam. „Ja, gern. Schwarz, bitte.“
Auch Pierce trank seinen Kaffee ohne Milch und Zucker.
Plötzlich fiel ihr etwas ein. „Wo werden wir denn in Freeport wohnen?“
„Ich habe in einem der Hotels eine Suite gebucht, unter falschem Namen natürlich. Es kann uns also nichts passieren. Ich habe auch schon Winthrop angefordert. Er wird vermutlich mit zwei Männern Verstärkung kommen.“
„Du nimmst die Sache wirklich ernst.“
Er nickte und trank einen Schluck Kaffee. „Dein Stiefvater wird heute auf dem Weg nach Washington sein, wenn es stimmt, was wir gehört haben.“ Er runzelte die Stirn. „Ich habe noch ein Gerücht gehört im Hinblick auf seine Pläne, und das gefällt mir noch viel weniger.“ Er kniff die Augen zusammen. „Es steht viel auf dem Spiel. Sabons Heimatland grenzt an einen Nachbarstaat, der klein und arm ist und der davon träumt, in den Besitz all des kostbaren Öls zu kommen, das der Westen so dringend braucht. Auch dieser Staat hatte Öl. Jedoch sind seine Reserven so gut wie erschöpft. Sie haben also kein Öl mehr, stattdessen aber mächtige Verbündete und Zugang zu den modernsten Waffen.“
„Oh, Gott! Meinst du, dass sie in Qawi einmarschieren?“
„Das ist durchaus möglich. Sabon ist sich dessen bewusst. Deshalb hat er wahrscheinlich auch Brauer in die ganze Sache mit hineingezogen. Er weiß, dass Brauer einen Freund im Senat in Washington hat. Er hat möglicherweise vor, über Brauer die Vereinigten Staaten um Hilfe zu bitten und in die Auseinandersetzung hineinzuziehen. Er kann es nicht persönlich tun, weil er seit dem Golfkrieg auf der schwarzen Liste steht. Damals hat er die falschen Leute unterstützt.“ Pierce tupfte sich den Mund mit der Serviette ab. „Wenn Brauer über seinen Freund um Hilfe ersucht und sogar noch mit den riesigen Ölvorkommen winkt, könnte Sabon das Konsortium dazu bringen, dem Deal zuzustimmen. Wenn es nicht klappt, wird er wahrscheinlich dem Nachbarland zuvorkommen.“
„Du meinst, einen Krieg anfangen?“
„Ja. Einen Krieg anfangen.“
„Das hört sich ja bedrohlich an.“
„Das ist auch bedrohlich. Der Mittlere Osten ist das reinste Pulverfass. Es genügt ein Funken, und die ganze Gegend steht in Flammen. Wir waren ja schon kurz davor, als der Irak Anfang der neunziger
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