Wolken über Ebou
Geschäftigkeit. »Mutter, kann ich Euch sprechen? Allein?«
Myrelle wandte sich zum Gehen, und Egwene fauchte: »Ihr bleibt hier stehen! Genau hier!« Myrelles Kinn sank herab. Sie schien ebenso erstaunt darüber, daß sie gehorchte, wie über Egwenes bestimmten Tonfall, und dann wurde die Überraschung zu verbitterter Resignation, die sie schnell hinter einer kühlen Fassade verbarg, die aber durch ihr nervöses Spiel mit den Zügeln Lügen gestraft wurde.
Bryne blinzelte nicht einmal, obwohl sich Egwene dessen gewiß war, daß er ihre Situation zumindest erahnte. Sie vermutete, daß ihn nur wenig überraschen oder beunruhigen konnte. Allein sein Anblick hatte in Siuan den Wunsch erweckt zuzuschlagen, denn es war nur zu offensichtlich, daß sie die meisten ihrer Streitigkeiten begann. Sie hatte die Fäuste bereits in die. Hüften gestemmt und ihren Blick auf ihn gerichtet, einen unheilvollen Blick, der jedermann Unbehagen hätte bereiten sollen, auch wenn es nicht der Blick einer Aes Sedai gewesen wäre. Myrelle bot jedoch mehr als nur Hilfe für Siuan an. Vielleicht. »Ich hatte vor, Euch zu bitten, heute nachmittag zu kommen, Lord Bryne. Ich bitte Euch jetzt darum.« Sie mußte ihn einiges fragen. »Wir können dann miteinander sprechen. Wenn Ihr mich entschuldigt.«
Anstatt ihre Entschuldigung anzunehmen, sagte er: »Mutter, einer meiner Spähtrupps hat unmittelbar vor Sonnenaufgang etwas gefunden, was Ihr Euch, wie ich meine, selbst ansehen solltet. Ich kann eine Eskorte bereitstellen...«
»Das ist nicht nötig«, unterbrach sie ihn schnell. »Myrelle, Ihr kommt mit uns. Siuan, würdet Ihr bitte jemanden mein Pferd bringen lassen? Unverzüglich.«
Mit Myrelle hinauszureiten wäre besser, als sich ihr hier gegenüberzustellen, wenn Siuans bruchstückhafte Hinweise wirklich etwas bedeuteten, und sie konnte Bryne auch bei einem Ritt befragen, aber sie hatte es mit beidem nicht eilig. Sie hatte Lelaine und Takima gerade durch die Zeltreihen auf sich zukommen sehen. Alle Frauen, die Sitzende gewesen waren, bevor Siuan abgesetzt worden war, hatten sich mit einer Ausnahme entweder Lelaine oder Romanda angeschlossen. Die meisten der neugewählten Sitzenden gingen ihren eigenen Weg, was nach Egwenes Ansicht etwas besser war. Nur etwas.
Selbst aus einer gewissen Entfernung war Lelaines Anspannung erkennbar. Sie schien bereit, durch alles hindurchzubrechen, was ihr in den Weg geriet. Siuan bemerkte die Anspannung ebenfalls und eilte davon, ohne auch nur für einen Hofknicks innezuhalten, aber für Egwene reichte die Zeit nicht mehr aus, ungesehen davonzukommen.
Lelaine pflanzte sich vor ihr auf, aber ihr scharfer, nachdenklicher Blick war auf Bryne gerichtet, während sie zu überlegen schien, was er hier tat. Sie hatte jedoch Wichtigeres zu bedenken. »Ich muß mit der Amyrlin sprechen«, sagte sie herrisch und deutete dann auf Myrelle. »Ihr werdet warten. Mit Euch spreche ich später.« Bryne verbeugte sich nicht allzu tief und führte sein Pferd zu der von ihr angezeigten Stelle. Männer, die auch nur ein wenig Verstand besaßen, lernten nur allzu schnell, daß es wenig Sinn hatte, mit Aes Sedai zu streiten, und bei Sitzenden ging diese Rechnung noch weniger auf.
Bevor Lelaine etwas erwidern konnte, beherrschte Romandas Gegenwart plötzlich alles so sehr, daß Egwene Varilin, die bei Romanda war, zunächst gar nicht bemerkte, obwohl die schlanke, rothaarige Sitzende für die Graue Ajah mehrere Zoll größer war als die meisten Männer. Überraschend war nur, daß Romanda nicht früher aufgetaucht war. Sie und Lelaine beobachteten einander wie Falken. Keine von beiden ließ die andere allein in Egwenes Nähe. Das Schimmern Saidars umgab beide Frauen gleichzeitig, und beide woben einen Lauschschutz um sie alle. Ihre Blicke begegneten sich, forderten einander mit zutiefst unbewegten und gefaßten Gesichtern heraus, aber keine ließ den Schutz fahren. Egwene biß sich auf die Zunge. An einem öffentlichen Ort oblag es der stärksten anwesenden Schwester zu entscheiden, ob eine Unterhaltung geschützt werden sollte oder nicht, und das Protokoll besagte, daß die Amyrlin diese Entscheidung traf, wann immer sie anwesend war. Sie hatte jedoch kein Verlangen nach halbherzigen Entschuldigungen, die eine Erwähnung dieses Umstands nach sich zog. Sie würden ihr natürlich beipflichten, wenn sie darauf bestünde. Sie biß sich erneut auf die Zunge und kochte innerlich. Wo war Siuan? Es war nicht fair, denn Pferde satteln
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