Wolken über Ebou
hätte, Mädchen«, lautete jedoch ihre einzige Antwort, und sie schritt zum anderen Ende des Tisches zurück, wo sie die Fäuste in die Hüften stemmte und erneut alle prüfend musterte, wie sie vielleicht auch ein fremdartiges Tier betrachtet hätte, das sie noch nie zuvor gesehen hatte. »Ich bin Nesta din Reas Zwei Monde«, sagte sie schließlich, »Herrin der Schiffe der Athan'an Miere. Woher wißt Ihr, was Ihr wißt?«
Nynaeve hatte sich um einen finsteren Gesichtsausdruck bemüht, seit die Frau sie zum ersten Mal angesehen hatte, und fauchte jetzt: »Aes Sedai wissen, was sie wissen. Und wir erwarten mehr Entgegenkommen, als ich bis jetzt erfahren habe! Als ich das letzte Mal auf einem Meervolk-Schiff war, wurde ich gewiß besser behandelt. Vielleicht sollten wir uns ein anderes aussuchen, auf dem die Menschen freundlicher sind.« Nesta din Reas' Gesicht wurde finsterer, aber Elayne sprang natürlich in die Bresche, nahm ihren Umhang ab und legte ihn auf die Tischkante.
»Das Licht erleuchte Euch und Eure Schiffe, Herrin, und sende die Winde, die Euch alle schnell voranbringen.« Sie vollführte einen nicht allzu tiefen Hofknicks. Aviendha hatte solche Dinge beurteilen gelernt wenn sie einen Hofknicks auch für das Unbeholfenste hielt, was eine Frau jemals tun konnte. »Vergebt uns, wenn hastige Worte gefallen sind. Wir wollten niemandem unseren Respekt verweigern, der für die Atha'an Miere einer Königin gleichkommt.« Letzteres äußerte sie mit einem vielsagenden Blick zu Nynaeve, die jedoch nur die Achseln zuckte.
Elayne und die anderen stellten sich erneut vor und ernteten seltsame Blicke. Nicht durch den Umstand, daß Elayne Tochter-Erbin war, obwohl dies unter den Feuchtländern als hoher Rang angesehen wurde. Daß sie der Grünen und Nynaeve der Gelben Ajah angehörte, ließ Nesta din Reas die Nase rümpfen und den spindeldürren alten Mann sie scharf ansehen. Elayne blinzelte überrascht, aber dann fuhr sie sanftmütig fort. »Wir sind aus zwei Gründen hierhergekommen. Der weniger wichtige Grund ist, Euch zu fragen, wie Ihr dem Wiedergeborenen Drachen helfen wollt, den Ihr der Jendai-Prophezeiung nach Coramoor nennt. Der wichtigere Grund ist der, die Hilfe der Windsucherin dieses Schiffes zu erbitten. Deren Namen ich«, fügte sie bedächtig hinzu, »leider noch nicht kenne.«
Die schlanke Frau, die die Macht lenken konnte, errötete. »Ich bin Dorile din Eiran Langfeder, Aes Sedai. Ich könnte Euch vielleicht helfen, wenn das Licht es will.«
Malin din Toral blickte ebenfalls verlegen drein. »Mein Schiff heißt Euch willkommen«, murmelte sie, »und das Licht gewähre Euch seine Gnade, bis Ihr diese Decks wieder verlaßt.«
Nesta din Reas war keineswegs verlegen. »Der Handel wird mit dem Coramoor beschlossen«, sagte sie fest und unterstrich ihre Worte noch mit einer barschen Geste. »Die Landgebundenen haben keinen anderen Anteil daran als ihre Vorhersage seiner Ankunft. Ihr, Mädchen, Nynaeve. Welches Schiff ließ Euch an Bord kommen? Wer war diese Windsucherin?«
»Ich kann mich nicht erinnern.« Nynaeves leichtfertiger Tonfall stand im Gegensatz zu ihrem gezwungenen Lächeln. Sie umklammerte ihren Zopf heftig, aber zumindest hatte sie nicht erneut Saidar umarmt. »Und ich bin Nynaeve Sedai, Nynaeve Aes Sedai, nicht Mädchen.«
Nesta din Reas legte ihre Hände flach auf den Tisch und warf Aviendha einen Blick zu, der diese an Sorilea erinnerte. »Vielleicht seid Ihr das, aber ich werde erfahren, wer enthüllt hat, was nicht hätte enthüllt werden dürfen. Sie muß noch schweigen lernen.«
»Ein gerissenes Segel ist gerissen, Nesta«, sagte der alte Mann plötzlich mit einer weitaus stärkeren und tieferen Stimme, als seine knochigen Glieder vermuten ließen. Aviendha hatte ihn für einen Wächter gehalten, aber er sprach wie ein Gleichgestellter. »Es ist vielleicht gut, die Aes Sedai zu fragen, was sie von uns wollen, wenn der Coramoor gekommen ist, die Meere in endlosen Stürmen wüten und das Verhängnis der Prophezeiung auf den Meeren segelt. Wenn sie wirklich Aes Sedai sind?« Letzteres wurde mit einer gewölbten Augenbraue an die Windsucherin gewandt geäußert.
Sie antwortete ruhig und in respektvollem Tonfall.
»Drei können die Macht lenken, sie eingeschlossen.« Sie deutete auf Aviendha. »Ich bin noch niemals jemandem begegnet, der so stark ist wie sie. Sie müssen Aes Sedai sein. Wer sonst würde es wagen, den Ring zu tragen?«
Nesta din Reas bedeutete ihr zu schweigen
Weitere Kostenlose Bücher