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Wolkenfern (German Edition)

Wolkenfern (German Edition)

Titel: Wolkenfern (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joanna Bator
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gleicht vielmehr ihrem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten, sagt die Hausgehilfin Władzia Dziurska, das Kind ist klein und unscheinbar, ihr Gesicht kann bei großem Wohlwollen des Betrachters und in günstigem Licht allenfalls als ganz hübsch durchgehen. Ein liebes Kind, sagen die Bekannten der Eltern, denn die Bezeichnung reizend wäre übertrieben, und in die Wohnung an der Studencka kommen nur kultivierte und taktvolle Menschen. Während die Mutter spielt, bringt Władzia Dziurska der kleinen Eulalia eine Tasse Kakao, aber es ist nicht so einfach, die Augen von den Fingern der Mutter zu nehmen, die über die Tasten eilen. Eulalia bekleckert sich mit Kakao und fühlt, wie die heiße Flüssigkeit ihr hübsches Organzakleid mit dem gestickten Kragen tränkt. Sie lässt sich nichts anmerken, um das Konzert nicht zu stören, doch Władzia Dziurska, die wachend an der Tür steht, sieht am Zittern der Schultern des Kindes, dass etwas nicht stimmt, sie nimmt Eulalia auf den Arm, und das Kind schmiegt sich an den nach Seife und Wäschestärke duftenden Hals des Mädchens. Sie bewundert Władzia, die in ihren Augen zu einer anderen, faszinierenden Welt gehört, in der alle Frauen rötliche, fest zupackende Hände, strohblonde Zöpfe und stachelbeerfarbene Augen haben. Das ist eine Welt, in der man Schutz finden kann, ganz anders als die Welt ihrer Mutter Alina, in der man sich gut präsentieren muss und nicht albern sein darf. Eulalia sitzt gern in der Küche und schaut zu, wie Władzia mit der gleichen Geschwindigkeit Grünzeug hackt wie ihre Mutter die Tasten des Flügels anschlägt.
    Als sich Władzia Dziurska auf der Suche nach einer Arbeit bei ihnen vorstellte, war sie selbst noch fast ein Kind gewesen, doch obwohl Familie Meisels eigentlich eine erfahrene Kraft gebraucht hätte, hatten sie Mitleid mit ihr und stellten sie auf Probe ein. Es zeigte sich, dass sie sowohl das Kochen als auch die Betreuung der damals noch ganz kleinen Eulalia sehr gut bewältigte, dass sie sogar Blumen hübsch anordnen konnte und sich auch ein bisschen aufs Rechnen verstand. Wenn Alina Meisels Schwestern, Cousinen oder Freundinnen über schmutzige, diebische oder faule Dienstboten klagten, pflegte sie aufatmend zu sagen: Ach, meine Władzia ist doch eine wahre Perle! Władzia Dziurska war nach Krakau gekommen, um bei Alina Meisels’ Cousine Isla, die nach der bevorstehenden Hochzeit mit ihrem Mann nach Wieliczka ziehen sollte, in Stellung zu gehen, doch wie das Pech es wollte, brannte die Fast-Braut mit einem jungen Dichter nach Zakopane durch und schrieb von dort, für sie sei jetzt Schluss mit dem bürgerlichen Leben, sie wähle Liebe, Freiheit und Kunst, ein bekannter Maler male gerade ihr Porträt, und, mein Gott, was habe dieses Genie für Augen! Islas Eltern schickten Władzia also zu den Meisels, sie wussten, dass vor allem Feliks ein weiches Herz hatte und sich des Mädchens mit den stachelbeerfarbenen Augen und den zu langen Armen erbarmen würde. Als Alina feststellte, dass Władzia nicht nur lesen, sondern sogar schön vorlesen konnte, bot sie ihr eine Gehaltserhöhung und gab ihr angemessene Lektüre für Kinder, die sie von nun an Eulalia vorlesen sollte. Das Mädchen verbrachte zunehmend mehr Zeit mit Władzia, denn Alina Meisels hatte bald erkannt, dass das Muttersein für sie nicht denselben Reiz hatte wie die Musik, was sie übrigens immer vermutet hatte, nur hatten Mutter und Schwestern ihr eingeredet, sie irre sich, und zwar sehr, sie solle sich nur selbst davon überzeugen. Alina hörte das leise Raunen der Stimmen von Kind und Dienstmädchen und griff in die Tasten, dass man es bis in die Planty hörte. Władzia las Eulalia vor und erzählte ihr Geschichten, die sie selbst ganz alltäglich fand, die jedoch das Kind nicht weniger begeisterten als die Märchen aus Tausendundeiner Nacht . So erzählte sie ihr, bevor sie nach Krakau gekommen sei, habe sie in einem Mietshaus am Fuße von Jasna Góra gelebt. Als sie vierzehn Jahre alt war, starb ihr Vater an einer Krankheit, die kein Arzt hatte heilen können und die darin bestand, dass die körperliche Gestalt sich auflöste. Sie hatten den Sargdeckel gleich schließen müssen, weil es aussah, als läge ein leerer Anzug mit Schuhen darin, eine Pappleiche. Władzia hatte fünf Schwestern, die in die weite Welt hinausgezogen waren. So sprach Władzia Dziurska mit dem Kind, das an ihren Lippen hing: Sie zogen in die weite Welt hinaus, die eine hierhin, die andere dorthin,

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