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Wolkengaukler

Wolkengaukler

Titel: Wolkengaukler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anett Leunig
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anfangen?“
    Ich dachte an meine Praktika im letzten Sommer. „Da gibt es eine Menge Möglichkeiten. Ich kann in Bibliotheken arbeiten, in Buchhandlungen, bei Verlagen, Archiven, auch im universitären Bereich, vielleicht sogar am Theater. Natürlich hinter den Kulissen, in der Dramaturgie. Eigentlich überall, wo es Bücher gibt und Menschen, die darin lesen, sich mit den Texten darin beschäftigen.“
    Er schwieg. Dann: „Und das willst du wirklich machen? Hast du eine Vorstellung davon, was da auf dich zukommt? Zum Beispiel als Buchhändler, oder so?“
    Ich nickte. „Ich war in den Sommerferien nicht so untätig, wie du glaubst. Ich habe in einer Münchner Bibliothek gearbeitet, und nebenher auch in einem Buchladen, für ein bisschen Cash. Ich habe eine Menge Leute kennen gelernt; mit der Bibliothekarin dort kam ich super zurecht. Sie meinte, wenn ich Hilfe bräuchte, könnte ich mich immer an sie wenden, sie hätte da so einige Kontakte. Ich habe viel über Bücher gelernt und über Menschen, die Bücher mögen, welche sie mögen und warum. Und ich habe mein Wissen über die alten Klassiker aufgefrischt und vertieft. Das kam mir besonders bei der Deutschabschlussklausur in diesem Jahr zugute. Ich habe mich mit Geschichte beschäftigt, und auch ein bisschen mit Rechnungs- und Kassenwesen, wegen der Abrechnungen im Buchladen.“ Eigentlich war ich wirklich gar nicht so schlecht gewesen im letzten Sommer – und das, obwohl ich die Nächte in Christophs Armen verbracht hatte. Vielleicht ja gerade deshalb! Aber das sagte ich Vater natürlich nicht.
    Eine ganze Weile blickte Vater nachdenklich in sein Bierglas, in dem nur noch eine spärliche, goldene Restpfütze schwamm, die er langsam kreisen ließ wie Wein. Ich wartete geduldig ab. Schließlich hielt er das Glas an und sah mir wieder in die Augen. Seine Stimme klang resolut, als würde er die Fakten, die ich wie lose Blätter vor ihm ausgebreitet hatte, sortieren und zu einem Stapel zusammenschieben:
     „Also gut. Was du da sagst, klingt erst einmal recht vernünftig und gut durchdacht. Du hast dir etwas in den Kopf gesetzt und entsprechend gehandelt. Du scheinst genau zu wissen, was du willst und wie du es erreichen kannst. Und du hast hart dafür gearbeitet. Im Grunde machst du nichts anderes als ich, nur halt auf deinem eigenen Gebiet.“
    Kriegte er jetzt die Kurve? Noch ein Seufzer seinerseits, dann ein Schulterzucken. „Ich denke, ich werde mich nach einem anderen Juniorpartner umsehen müssen. Denn dass du mir meine Umsatzsteuererklärungen ausarbeitest, wird ja nicht mehr möglich sein, wenn du in München oder Frankfurt studierst. Und Gedichte akzeptiert das Finanzamt nun einmal nicht.“
    Doch keine Kurve? Papa, komm schon, bitte! 
    „– Aber ich, jetzt!“
    Ich sah ihn ungläubig, fast misstrauisch an. War das sein letztes Wort? Hatte er verstanden, worum es mir ging?
    Er lächelte beschwichtigend: „Es ist okay, Jann, du hast mich in deinem Boot. Als Reling und Notpinne. Und als Rettungsanker, den du hoffentlich nicht brauchen wirst. Aber nur unter einer Bedingung!“ Aha, jetzt kam der Pferdefuß!
    „Du machst so gut weiter, wie in diesem Jahr. Du bleibst am Ball und lässt dich nicht ablenken. Durch nichts! – Auch nicht durch Christoph.“
    Offensichtlich schien er Christoph immer noch nicht richtig verdaut zu haben. Ich nickte, aber ich musste noch eines klarstellen: „Christoph ist nicht das Tau an der Pier, das mich zurückhält, sondern mein Segel, das mich voranbringt, und der Motor, der mir bei Flaute Kraft gibt. Ohne ihn geht es für mich nirgendwohin.“ Dabei erwiderte ich ruhig Vaters nachdenk-lichen Blick. Jetzt hatte ich keine Angst mehr.
    Schließlich entspannten sich seine Gesichtszüge, und ein Schmunzeln ließ seine Mundwinkel zucken: „Wahre Liebe?“
    „Ja, das denke ich schon.“
    „Weißt du, eigentlich weiß ich zu wenig über dieses Thema, Liebe zwischen Männern und so. Ich habe mir nicht vorstellen können oder wollen, dass es so etwas gibt, und schon gar nicht, dass es in meiner Familie passiert. Ich glaube, ich muss das erst einmal beobachten, kennen lernen, und mit der Zeit wirst du mir sicherlich auch das eine oder andere erzählen, oder? Ich werde dafür offen sein.“ Er hob sein Glas mit dem kleinen Restchen Bier hoch und hielt es mir hin: „Jedenfalls: wenn es gut für dich ist, dann ist es in Ordnung. Auf die Liebe!“
    „Auf die Liebe!“ Ich stieß mein Glas sacht gegen seins. Das leise Klirren

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