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Wolkengaukler

Wolkengaukler

Titel: Wolkengaukler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anett Leunig
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betrachtete sein Profil: den muskulösen Rücken, die angespannten Schultern, die sehnigen Arme – ich spürte, wie sehr es mich danach verlangte, das wieder zu berühren. Er hatte sich den Bettbezug locker über die Hüfte gelegt, so dass sein Po bedeckt war. Wahrscheinlich war er darunter nackt. Schade! Verträumt wanderte mein Blick über seine kräftigen, gebräunten Beine mit den unzähligen, golden schimmernden Härchen bis hin zu den Zehen und wieder zurück.
    „Wenn du dich sattgesehen hast, kannst du ja auch rüberkommen“, hörte ich ihn plötzlich sagen. Wieder hatte er mich ertappt, in einem unvorbereiteten Moment erwischt! Darin schien er ein Meister zu sein! Ich schloss die Tür und ging mit leise klopfendem Herzen zu ihm hinüber. Er machte mir Platz, und ich legte mich bäuchlings neben ihn.
    „Was liest du da?“, fragte ich, um aus meiner Peinlichkeit herauszufinden. Er hielt mir das Buch hin. Ken Follet, ‚Die Säulen der Erde’. Natürlich kannte ich das Buch, und natürlich war es aufgrund seiner ausführlichen  architektonischen Beschreibungen für Christoph sehr interessant. Sofort begannen wir, über das Mittelalter, die Bau- und Steinmetzkunst zu philosophieren. Ich liebte solche Gespräche!
    Mitten in einer hitzigen Debatte über die verschiedenen Kapitellformen in mittelalterlichen Kirchen ertönte von unten Tante Melanies Stimme: „Jungs?“
    Wir zuckten beide zusammen, aber Christoph fing sich schneller als ich: „Ja?“
    Zu meinem Entsetzen hörte ich Schritte auf der Treppe. Tante Melanie kam herauf! Panik ergriff mich. Was würde sie sagen, wenn sie ihren Sohn und ihren Neffen abends halbnackt im Bett eng nebeneinander liegen sah! Ich wollte aufspringen, aber Christoph drückte mir entschieden die Hand auf den Rücken. „Bleib hier!“, zischte er noch, dann erschien Tantes Kopf am oberen Ende der Treppe.
    Einen Augenblick lang schien sie etwas verdutzt, aber dann kam sie entschlossen die letzten Stufen nach oben und auf uns zu. Mein Herz raste, und ich wagte kaum, sie anzusehen.
    „Ich dachte, ihr seht fern. Was macht ihr denn schönes?“
    „Diskutieren. Darüber.“ Christoph hielt ihr das Buch hin, sie las den Titel und den Einbandtext. „Aha, klingt ja interessant. Wenn du damit durch bist, will ich das auch mal lesen, ja?“ Sie gab ihm das Buch zurück, und dabei konnte Christoph es nicht verhindern, dass ihm das Bettuch von den Lenden rutschte und seinen nackten Po entblößte. Sie registrierte es wohl, zuckte aber mit keiner Miene.
    „Gute Nacht dann euch beiden. Macht nicht mehr so lange“, sagte sie nur. Und besonders zu mir gewandt, fügte sie noch einen bedenklichen Satz hinzu: „Sieh zu, dass er dir nicht zuviel von deinem kostbaren Schlaf raubt.“
    „Gute Nacht, Mama, schlaf auch gut“, antwortete Christoph mit ruhiger Stimme und zog sich wie beiläufig das Bettuch wieder über. Ich antwortete gar nicht, sondern nickte ihr nur zu. Es wäre sowieso nur ein nervöses Krächzen herausgekommen. Endlich war sie wieder verschwunden.
    „Ob sie sehr schockiert über uns ist?“, fragte ich leise.
    Christoph zuckte mit den Schultern. „Daran wird sie sich wohl gewöhnen müssen. Und du auch.“ Er wandte sich mir zu und fixierte mich mit einem tiefen Blick aus seinen eisgrauen Augen. Das ging mir immer durch und durch! Dann fügte er hinzu: „Das heißt, wenn du nicht nur wegen des Buches neben mir liegst.“
    Ich spürte unweigerlich die Hitze der Verlegenheit in meinem Gesicht aufsteigen, aber ich schüttelte entschieden den Kopf.
    Er atmete tief durch und legte das Buch auf den Nachttisch am Kopfende des Bettes. „Okay, dann müssen wir erst einmal eine Frage klären:  Wie weit bist du bereit zu gehen?“
    Ich hatte diese Frage nicht so direkt erwartet, aber Gedanken hatte ich mir darüber auch schon gemacht. Jetzt kam die Antwort, als hätte sie mir ein Drehbuchautor in den Mund gelegt: „Soweit du mich führen willst.“ Ich war selbst erstaunt über diese Antwort, die mehr nach einer Zeile aus einem Liedtext klang, und noch erstaunter über das Vertrauen, das aus ihr sprach. Aber Christoph nickte nur ernst.
    „Gut, dann muss ich jetzt allerdings drei Regeln aufstellen. Erstens: dein Vertrauen zu mir darf nur soweit gehen, wie dein Instinkt es zulässt. Verlass dich auf dein Gefühl, nicht auf deinen Kopf. Zweitens: wenn irgendetwas darüber hinausgeht, musst du mir das sofort und unmissverständlich zeigen. Ich brauche klare Ansagen, ein deutliches

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