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Wolkengaukler

Wolkengaukler

Titel: Wolkengaukler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anett Leunig
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nahm.
    Nach einem kurzen Zögern wandte ich mich der Tür zu meinem Zimmer zu.
    „Wo willst du denn hin?“, fragte er mich sofort.
    „Na ja, ich brauche eine neue Hose und außerdem dachte ich, du willst jetzt vielleicht lieber allein sein und deine Ruhe vor mir haben.“
    Er sah mich erst erstaunt, dann belustigt an und schüttelte den Kopf.
    „Ich wusste vom ersten Augenblick auf dem Bahnhof an, dass ich in den nächsten vier Wochen überhaupt keine Ruhe mehr vor dir haben würde.“ Und als ich daraufhin verunsichert die Augenbrauen hob, setzte er leise hinzu: „Und das möchte ich auch nicht. Wenn du willst, können wir jede Nacht zusammen verbringen.“
    Erleichtert machte ich wieder kehrt, ließ Hose Hose sein und half ihm, das Bettlaken überzuziehen. Bevor wir uns wieder darauf niederließen, fügte er mit ernsthafter Miene hinzu: „Wenn wir allerdings in jeder Nacht solche Orgien veranstalten, kann ich bald keinen klaren Gedanken mehr fassen.“ In seinen Augen blitzte der Schalk.
    Ich lachte und flüsterte: „Dito.“ Dann kuschelte ich mich bei ihm ein, und es machte mir gar nichts aus, dass er eine Hand auf meine Pobacke legte und sie zärtlich streichelte und drückte, bis ich einschlief.
     
       Am nächsten Morgen erwachte ich wieder allein, allerdings musste ich mir erst einmal vergegenwärtigen, warum ich auf einer Couchliege mit Ausblick auf eine Bücherwand statt in einem Bett mit Blick zum Fenster lag. Dann fiel mir der gestrige Abend wieder ein, und erleichtert schwang ich mich aus dem Bett.
    Als ich aus dem Bad zurückkehrte und mich anzog, hörte ich unten in der Küche Stimmen. Offensichtlich führten Christoph und seine Mutter gerade eine sehr heftige Diskussion. Ich schlich zur Treppe und ein paar Stufen nach unten. Hier konnten sie mich nicht sehen, aber ich konnte jedes einzelne Wort verstehen, das sie sagten.
    Die Diskussion schien sich um mich zu drehen, und plötzlich war es mir peinlich, hier zu stehen und zu lauschen. Beschämt wollte ich mich schon abwenden. Doch ich war auch neugierig, was Christoph über mich zu erzählen hatte. Deshalb blieb ich, wo ich war und rührte mich erst einmal nicht.
    Tante Melanie fragte gerade: „Dann bist du also jetzt mit Jann zusammen? Du weißt schon, als Paar?“
    Christoph schien zu nicken, er sagte jedenfalls nicht nein.
    „Aber ihr seid Cousins, ist das denn überhaupt erlaubt?“
    „Warum nicht, es ist jedenfalls nicht verboten.“
    „Aber Jann ist noch minderjährig, Christoph. Ich will nicht, dass du dir da Ärger einhandelst.“
    „Er ist sechzehn, Mama, und in zwei Monaten siebzehn. Da hat man das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung. Und so groß ist der Altersunterschied zwischen uns ja nun auch wieder nicht.“
    „Aber weiß Jann auch, was er da tut? –  Ich meine, welche Folgen das haben kann? – Ich meine, will er auch von sich aus in diese – Richtung gehen?“ Sie schien Schwierigkeiten zu haben, mit ihrem Sohn über dieses Thema zu reden, das uns beide anging, war nervös und unsicher, obwohl sie sich ernsthaft zu bemühen schien, sachlich zu bleiben.
    Christophs Stimme dagegen klang selbstsicher und souverän, was mich sehr beruhigte – abgesehen davon, dass ich es prinzipiell  erstaunlich und extrem peinlich fand, dass er mit seiner Mutter so offen über seine sexuelle Neigung sprach. Aber offenbar wusste sie darüber schon längst Bescheid, und über mich jetzt auch.
    „Mama, du weißt doch: man wird nicht schwul, wenn man es mit einem Mann macht. Man ist es, oder man ist es eben nicht. Ich will, dass Jann sich darüber klar wird, welche Richtung in ihm verankert ist, und zwar möglichst bald und ohne derbe Enttäuschungen. Oder willst du, dass er erst einmal mit -zig Mädchen rummacht, um dann vor lauter Frust und Verzweiflung an irgend so einen brutalen, rücksichtslosen Sack zu geraten, der ihm wehtut?“
    Offenbar schien sie den Kopf zu schütteln, denn er fuhr beschwichtigend fort: „Na siehst du. Hab keine Angst, ich werde nichts tun, was er nicht möchte, das habe ich schon mit ihm  besprochen.“
    „Woher weißt du denn, dass er wirklich... so ist wie du?“ Trotz aller Offenheit zwischen sich und ihrem Sohn schien sie Schwierigkeiten damit zu haben, das Wort ‚schwul’ direkt auszusprechen. „Was, wenn er einfach nur fasziniert oder neugierig ist? Hat er denn eine Freundin?“
    Jetzt wurde mir das ganze doch zu persönlich. Christoph offensichtlich auch, denn er wich aus: „Mama, tut mir leid,

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