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Wolkengaukler

Wolkengaukler

Titel: Wolkengaukler Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anett Leunig
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Christoph, bitte hilf mir, jetzt kommt das dicke Ende! Danach würde es mit Celines Freundschaft vermutlich vorbei sein!
    „Christoph und ich, wir sind zusammen, verstehst du? Er ist nicht nur mein Cousin, sondern auch ...“ – ich stockte, aber sie nickte mir aufmunternd zu – „mein Freund, mein Partner, mein ...“, ich suchte nach dem französischen Wort, „mon amour.“
    Sie öffnete vor Erstaunen den Mund, aber ich ließ sie gar nicht erst zu Wort kommen: „Es tut mir leid, dass ich es soweit habe kommen lassen. Ich hätte dir das schon viel eher sagen müssen, aber glaub’ mir, ich hatte selbst keine Ahnung. Du hast mich vom ersten Tag an fasziniert, und ich war durcheinander deswegen. Aber dann merkte ich, dass es vor allem deine Augen waren, die mich fesselten, und das verwirrte mich noch mehr.“ Sie nickte auffordernd, wollte offensichtlich mehr hören.
    „In den letzten Wochen, also seit Neujahr, na ja, ich denke, das war meinerseits nur Freundschaft gewesen, eine innige, vertraute Freundschaft, aus dem Bauch heraus. Ich mag dich sehr, wirklich, ich kenne kein Mädchen, mit dem ich so entspannt umgehen könnte wie mit dir. Was dann vorhin beinahe passiert wäre, das war – ich weiß nicht, wahrscheinlich waren es deine Augen. Du hast seine Augen, Christophs Augen, die eures Vaters, ... und Christoph liebe ich. Und deshalb ist das bei mir alles so durcheinandergeraten. Ich habe ihn in dir gesehen, weil ich ihn so sehr vermisse. Es tut mir schrecklich leid, und wenn du willst, kannst du mir jetzt eine runterhauen und dann einfach gehen, das wäre okay.“
    Das alles war wie ein Sturzbach aus mir herausgeschossen, ich hatte keine Zeit gehabt, darüber nachzudenken. Auch vor meinem geistigen Auge hatte sich das Puzzle soeben erst vollständig zusammengesetzt. Ich hatte Celines Kette nicht früher bemerken können, weil sie meistens Pullover mit einem hohen Kragen oder ein Tuch um den Hals trug. Nur weil ich ihr so nahe gekommen war, hatte ich zufällig einen Blick auf die Haut darunter werfen können – in letzter Sekunde! Und jetzt war mir auch klar, warum mich ihre Augen einerseits so in ihren Bann gezogen hatten, obwohl ich andererseits wusste, dass das mit ihr grundlegend falsch war. Jetzt war mir alles klar! Und ihr?
    Sie schaute mich noch immer wort- und reglos an, ihre Augen funkelten wie Eiskristalle, während sie versuchte, dass alles zu verarbeiten. Himmel, wenn sie doch nur etwas sagen würde! Schließlich seufzte sie und legte sich ihre Kette wieder um. Würde sie jetzt gehen? Ihr Schweigen dauerte furchtbar lange, aber endlich sah ich ein Lächeln um ihre Lippen spielen und hörte sie flüstern: „Ich schlage nicht den Freund meines Bruders.“ Ihr Lächeln wurde breiter, und schließlich öffnete sie die Arme: „Allez, Jann, viens! Restons amis!“
    Erleichtert nahm ich sie in die Arme. Sie war mir nicht böse, wenn auch im Moment sehr durcheinander. Aber wer würde das nicht sein bei diesem Gefühlschaos, das wir beide gerade durchlebt hatten?!
    „Du musst mir alles über meinen Bruder erzählen!“, forderte sie bestimmt, als sie mich losließ.
    „Natürlich, alles, was ich weiß. Zur Zeit ist er in Kanada, noch bis zum ...“ – Moment mal! Sollte Christoph nicht an diesem Wochenende zurückkommen? Hatte er mir das geschrieben? Hatte er überhaupt seit letzter Woche wieder geschrieben? Verdammt, wieso war mir das durch die Lappen gegangen? Offenbar war ich durch Celine zu sehr abgelenkt gewesen, ohne es zu merken! Mist!
    Celine spürte meinen plötzlichen Schreck. „Was ist passiert, Jann?“, fragte sie und packte rasch ihre Sachen zusammen.
    „Tut mir leid, aber ich muss sofort nach Hause. Ich muss mit Tante Melanie telefonieren, Christoph eine Mail schreiben und ...“
    Sie fragte nicht lange, sondern entschied spontan: „Alors, ich komme mit.“ Entschlossen schwang sie sich ihre Tasche über die Schulter.
    Ich zögerte für einen Moment. Aber warum nicht? Meine Eltern waren nicht da, mein Vater wieder einmal auf Geschäftsreise bis Sonntag, und meine Mutter hatte heute ein Fortbildungsseminar bis spätabends. Es würde also keine unangenehmen Fragen und schwierigen Erklärungen geben. „D’accord, allons-nous-en!“ Mittlerweile sprang ich auch schon unbemerkt zwischen Deutsch und Französisch hin und her.
     
    Zu Hause setzte ich mich gleich an den Rechner und checkte die Mails, während Celine uns einen Tee kochte. Meine letzte Mail an Christoph stammte vom letzten

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