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Wolkentaenzerin

Wolkentaenzerin

Titel: Wolkentaenzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nichole Bernier
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war Jahrzehnte her, dass die Fischer sich ein anständiges Auskommen verdienen konnten. Doch als Great Rock als Ausflugsort für Touristen an Beliebtheit zunahm, kehrte die Verehrung des Walfangs zurück, so wie man sich auch auf die Geschichte der Insel besann. Nostalgie wurde marktfähig, und lokale Unternehmen stürzten sich auf das Erbe des Walfangs wie Enkel auf das Hab und Gut einer wohlhabenden kränkelnden Matriarchin. Die Namen der Läden und Restaurants wurden mit allen nur denkbaren Anspielungen versehen. Da waren das Uhrengeschäft Whale of a Time , der Haarschmuckladen Thar She Bows und die Kneipe Blubbering Idiots . Jedes Jahr wenn Kate hier Urlaub machte, schien es ihr, als hätte die Betreuung und Bewirtung von Touristen mehr und mehr höchste Priorität. Besucher waren nun das Hauptgeschäft der Insel, und die Insel arbeitete hart, um ihren Hunger zu stillen.
    Der Hunger war jedoch unstillbar geworden, und die Veränderungen in der Stadt waren deutlich zu spüren. Wo einst ein Geschäft des Kunsthandwerksvereins für Gobelinstickerei ansässig war, standen nun 400-Dollar-Schuhe im kunstvoll arrangierten Schaufenster einer Boutique. Das Diner servierte Cola in schicken Designerbechern. Die Kapitänshäuser an der Hafenfront waren wieder zu Familienvillen umfunktioniert worden und als Ferienhäuser bei Geschäftsführern aus der Filmbranche beliebt. Die Walfangkirche war eine gefragte Location für Hochzeiten, seitdem sie restauriert und ihr glänzendes Geländer für die Hochzeitsseiten der New York Times fotografiert worden war. All das hielt die Denkmalschützer auf Trab, für immer in die Vergangenheit gewandt und ständig misstrauisch gegenüber Neuem.
    Was nicht bedeutete, dass die Insel vollends verdorben war. Wenn man an der nördlichen Küste blieb, der verschlafenen Ackerbauseite, und nur für ein Eis oder ein Abendessen einen Ausflug in die Stadt unternahm, konnte man noch einen ganz altmodischen Inselurlaub verbringen, so wie Kate und Chris ihn liebten. Vor ihrer Hochzeit hatten sie ein Ferienhaus am Wasser entdeckt, das nicht in den Anzeigen für Ferienhäuser auftauchte, einfach und bescheiden mit einem schmalen Streifen Strand. Sie hatten ihren Fund für sich behalten. Jedes Jahr im September schickten sie den Hauseigentümern eine Dankeskarte mit Fotos der Kinder, wie sie im Garten spielten, einen Karton mit Kates selbstgebackenen Madeleines und einen Verrechnungsscheck für dieselben zwei Wochen im folgenden Sommer. In diesem Jahr machten die Besitzer eine harte Zeit durch und hatten den sieben Wochen zugestimmt, zu einem günstigeren Preis, wenn sie sich im Gegenzug um Haus und Grundstück kümmerten. Chris hatte mit seiner Firma verhandelt und würde von dort aus arbeiten.

    Erst als sich die Fähre ein gutes Stück von der Küste entfernt hatte, wollten die Kinder in die Kantine gehen und Karten spielen. Kate rutschte auf eine Bank, während Chris sich mit ihnen für Orangensaft und Bagels anstellte. Große Fenster gaben den Blick auf den Atlantik zu drei Seiten frei. Die Farbe des Himmels passte zum Wasser, heute war er eher austernfarben als bleiern. Auf beinahe allen Überfahrten, an die Kate sich erinnerte, war der Himmel bedeckt gewesen, und mittlerweile verband sie grau mit Urlaub wie andere marineblau mit Segeln oder rosa mit kleinen Mädchen. Grau waren das schindelverkleidete Haus, das sie mieteten, und die dunklen Wellen, die man aus dem Fenster sah. Auch die Pullis, die die Kinder über ihren Badesachen trugen, und die Sandklaffmuscheln, die sie häufig in graubraune Brühe getunkt aßen. Grau bedeutete eine Auszeit vom Alltag.
    Kate und Chris hatten sich vor zehn Jahren in New York kennengelernt, als sie achtundzwanzig und er zweiunddreißig war. Sie war Patissière in einem Boutique-Hotel auf der Upper East Side, und er gehörte zu einem kleinen Team von Hotelentwicklern, die Pläne für einen neuen Standort ausarbeiteten. Die Gespräche wurden beim Abendessen in der kleinen privaten Ecke im hinteren Teil der Küche geführt. Das war im Hotel der exklusivste Ort für besondere Veranstaltungen, ein Tisch für acht Personen unter einer Sammlung alter Kupfertöpfe. Der Tisch erblühte mit einem fast bis unter die Decke ragenden Gesteck von Marcel, dem renommierten Floristen des Couture-Brautladens gegenüber, und war mit dem kostbarsten Markenporzellan des Hotels gedeckt. Dass er sich nicht außerhalb der Reichweite von Fettspritzern befand, störte nicht, war nur ein

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