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Wolkentaenzerin

Wolkentaenzerin

Titel: Wolkentaenzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nichole Bernier
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zweite Nachricht nahm sie mit nach Hause und legte sie in die oberste Schublade wie ein Schulzeugnis. Die Sendung bekam hohe Quoten und lief drei Jahre lang, was Kate in ihrem Glauben bestätigte, dass man vieles durch reine Willenskraft ermöglichen konnte.
    Nächste Woche war ihr neunter Hochzeitstag. Sie konnte noch immer aufrichtig sagen, dass Chris ihr bester Freund war, und sie war sich sicher, dass er das Gleiche von ihr sagen würde. Auf Geschäftsreisen packte er immer sein Lieblingsfoto von ihr ein, sehr schmeichelhaft, ein Standbild aus der Kochsendung in einem Augenblick, in dem sie vor laufender Kamera ein Soufflé fallen ließ. Er fand, dass ihre Fähigkeit, über sich selbst zu lachen, so echt und unbefangen, es zum schönsten Foto machte, das er je gesehen hatte.
    Seitdem sie Kinder hatten, hatte sich ihre Beziehung verändert. Ihre Wir-gegen-den-Rest-der-Welt-Verbindung fühlte sich nun eher wie eine Unternehmenspartnerschaft an, in der jeder seine eigene Abteilung leitete. Er half ihr mit den Kindern, wenn er da war, aber oft war das nicht der Fall. Wenn sie einen Zeitpunkt benennen sollte, an dem sie zum ersten Mal die Veränderung gespürt hatte, würde sie sagen: kurz nach James’ Geburt, in den ersten Monaten, als ihre Liebe sich mit Verpflichtung vermischte und Nähe mit Isolation. Nach einigen Monaten hatte Kate sich entschieden, erst einmal nicht wieder zu arbeiten – der Mutterschaftsurlaub war so kurz, und die langen chaotischen Schichten, sehr früh oder sehr spät, schienen nicht damit vereinbar, eine Bindung zu einem Säugling aufzubauen. Die innige Verbundenheit war mit nichts zu vergleichen, was sie bisher erlebt hatte; sie hatte es nie für möglich gehalten, solch starke Gefühle für jemanden entwickeln zu können, der diese nur durch seine Anwesenheit, seine Bedürfnisse und irgendwann ein Lächeln erwidern konnte. Schon bald zogen sie in einen Vorort. Die Abgeschiedenheit war ebenfalls eine neue Erfahrung. Ganze Tage vergingen, an denen ihre Gespräche sich auf la-la-la und Diskussionen mit den Kabelnetzbetreibern beschränkten. Sie hatte keine andere Wahl gehabt, als über die Anlaufstelle für Zugezogene einer Spielgruppe beizutreten, nur um aus dem Haus zu kommen und Erwachsenengespräche zu führen.
    Eines Abends kam Chris mit der Ankündigung nach Hause, er müsse für zwei Wochen nach Bhutan, mit entschuldigendem Blick und einem Ausdruck von schlechtem Gewissen im Gesicht, wohl wissend, dass dies von ihm erwartet wurde. Doch in diesem Blick hatte Kate noch etwas anderes gesehen: Vorfreude. Aufregung. Erleichterung. Sie glaubte ihm, wenn er sagte, er würde sie auf seinen Reisen vermissen, wusste aber auch, dass er es genoss, unterwegs zu sein, es auskostete, sich in einer neuen Umgebung so frei zu fühlen, wie sie beide früher, als sie zusammen gereist waren. Wichtiger aber war, dass sie auch hier eine Veränderung spürte: Er konnte nicht länger zugeben, wie viel Spaß es ihm machte. Das anzusprechen wäre kleinlich von ihr gewesen, wo er doch im Großen und Ganzen ein guter Ehemann und Vater war, und hätte sie noch dazu bedürftig erscheinen lassen, was sie noch schlimmer gefunden hätte. Wenn sie ihr kleines Reservoir an Beherrschung anzapfte, gelang es ihr, nichts zu sagen. Als sie kurze Zeit nach der Bhutan-Reise Wäsche wusch, fand sie in seiner Hosentasche etwas, das wie zerkrümelter Tabak aussah. Auch das erwähnte sie nicht.
    Alles in allem hatten sie neun ziemlich beständige Jahre gehabt und standen gut da, selbst während sie erlebten, wie Freunde sich stritten und betrogen, aneinander herummeckerten und einander bloßstellten, sich scheiden ließen. Sie hatte nie an seiner Treue gezweifelt und hatte selbst keine Geheimnisse vor ihm, zumindest keine der Größenordnung von Elizabeths Fahrt nach Joshua Tree mit Michael. Auch wenn Kate bisweilen aufrührerische Gedanken hegte, so ging sie in der Praxis doch nur so weit, dass sie Hosentaschen durchsuchte, und selbst das nur, um sicherzugehen, dass Chris etwa kein Geld in seiner Hose vergessen hatte, bevor sie sie in die Waschmaschine steckte. Einmal hatte sie eine Visitenkarte gefunden, seine eigene, mit einer ausländischen Telefonnummer darauf und »Michelle« daruntergekritzelt. Sie hatte sie zusammen mit seinen Kragenstäbchen und ein paar Münzen auf seine Kommode gelegt, ohne einen weiteren Gedanken daran zu verschwenden.
    Chris kam von der Kantinen-Schlange zurück, Piper und James neben sich, jeder

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