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Wolkentaenzerin

Wolkentaenzerin

Titel: Wolkentaenzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nichole Bernier
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mit Limonade und einem Eis in der Hand.
    »Du kannst einfach das Wort nein nicht leiden, nicht wahr?«, fragte Kate ihn, als sie näher kamen. »Es ist gar nicht so schwer. Es fühlt sich manchmal sogar richtig gut an. Versuch’s mal.«
    Chris verzog sein noch von den Motellaken zerknittertes Gesicht zu einem Lächeln. Er hatte vor der Fähre keine Zeit mehr zum Duschen gehabt, aber das spielte keine Rolle. Er gehörte zu den Männern, die mit dem Alter immer besser aussahen, die, obwohl Kate ihm das niemals sagen würde, eine gewisse Ausstrahlung besaßen, die immer männlicher wurde, je mehr sie in ihrer eigenen Haut ankamen.
    Ihr Blick fiel auf seine Schuhe, Espadrilles aus Leinen, die sie noch nicht kannte. War er in der Mittagspause rausgegangen, oder hatte er sie in einer freien Minute auf einer seiner Reisen gekauft? Vor ein paar Jahren wäre er mit ihr zusammen einkaufen gegangen oder hätte sie ihr gezeigt, wenn er nach Hause kam. Was hältst du von denen, Süße?, hätte er gefragt. Zu ökomäßig?
    Kleinigkeiten, sagte sie sich. Es war normal, dass in einer vielbeschäftigten Familie irgendwann nicht mehr jedes belanglose Detail erwähnt wurde.

Fünf
    Den Bungalow erreichte man über einen Feldweg, der aus kaum mehr als zwei Furchen bestand. Ein Dickicht aus Heidelbeeren, Lorbeerrosen und Wacholder wuchs am Wegesrand und kratzte an den Autos, die zu weit von der Spur abkamen. Nach ungefähr zweihundert Metern zweigte der Weg links in eine kleine Auffahrt ab. Das schindelverkleidete Haus sah täuschend unscheinbar und finster aus.
    Kate drehte den Schlüssel im Schloss und stieß die Tür auf, die sich mit dem schmatzenden Geräusch einer Vakuumverpackung öffnete. Die Kinder stürmten an Kate vorbei ins Haus. Sie ließ zwei Kleidersäcke mit Bettwäsche auf den Boden fallen und sah sich in dem vertrauten rechteckigen Raum um, der Küche und Wohnbereich zugleich war. Sie zog die schweren Vorhänge zurück, die im Winter vor der Kälte schützen sollten, und der Raum weitete sich. Riesige Fenster an zwei Wänden gaben den Blick auf den weitläufigen Garten und den dahinterliegenden Ozean frei.
    Das Haus war kompakt und raumsparend aufgeteilt, hatte sich aber nie beengt angefühlt. Innen verliehen ihm die weiß gekalkten Holzbalken und die schlichten cremefarbenen Wände den Eindruck von dezentem Luxus ohne einen einzigen teuren Einrichtungsgegenstand, außer einer antiken Standuhr, die aber ihre eigene Glaubwürdigkeit untergrub, indem sie nur nach Lust und Laune zur Stunde schlug.
    Während Chris das Auto auslud, warf Kate einen Blick in die beiden Schlafzimmer, die von einem kleinen Flur hinter der Wohnküche abgingen. Sie waren beide gleich groß, doch das eine hatte ein eigenes kleines Badezimmer und Fenstertüren, die auf die umlaufende Veranda führten. Kate ging über den geflochtenen Teppich und öffnete eine Tür in der Ecke. Im Wandschrank war eine kurze Leiter hinter der Kleiderstange in die Wand eingebaut worden. Im Zimmer nebenan zankten sich die Kinder um die Betten. Kate berührte das glatte Holz der Leiter und ließ ihre Finger über eine abgenutzte Sprosse gleiten, während sie überlegte, hinüberzugehen und ihren Streit zu schlichten. Dann stieg sie hinauf und stieß die Luke in der Decke auf. Sie schlug hart auf den Boden der Dachkammer.
    Diese seltsame Mischform aus Gewölbe und Speicher gehörte eigentlich nicht zum bewohnbaren Teil des Hauses. Die Eigentümer hatten den Dachboden unter dem niedrigen, in einer Spitze zusammenlaufenden Dach ausgebaut. An der höchsten Stelle gerade mal zwei Meter hoch, reichten die Dachschrägen dieser verwinkelten Erweiterung hinunter bis auf gut einen Meter an den Seiten, und an drei Wänden gaben Fenster den Blick zum Hafen frei. Kate kletterte durch die Öffnung und blickte aus dem engen Refugium auf das Wasser in der Ferne, ein gegensätzliches Bild von Weite inmitten räumlicher Begrenzung.
    Unzählige Regalbretter waren entlang der Wände unter den Fenstern angebracht und mit einer großen Auswahl an Büchern bestückt. Es gab nur ein Möbelstück, eine Chaiselongue, die vor der einzigen fensterlosen Wand stand. Kate schaltete das Licht an, und zwei Wandlampen leuchteten rechts und links auf Schulterhöhe neben der Liege auf.
    Hier wollte sie Elizabeths Tagebücher lesen, am Abend oder möglicherweise schon an diesem Nachmittag, wenn der Hausputz schnell vonstattenging.
21. Oktober 1979
Ich würde mich ja dafür entschuldigen, dass ich so

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