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Wolkentaenzerin

Wolkentaenzerin

Titel: Wolkentaenzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nichole Bernier
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sein Muster: sich zwingen, die Sache durchzuhalten, und aufhören, sobald er sie gemeistert hatte. Angst, Erfolg, Entspannung. Er war schon immer nur angespannt Risiken eingegangen. Doch in letzter Zeit hatte er angefangen, das zu überspielen, war gleichgültig, wenn ihm etwas gelang, und täuschte Desinteresse vor, wenn nicht. Kate kam es vor, als liefe vor ihren Augen eine Dokumentation über Entwicklungspsychologie ab, bei der die sich herausbildenden Fähigkeiten von den Eigenschaften beider Elternteile geformt wurden – von Chris’ natürlichen Begabungen und Kates ernsthafter Konzentration. Kaum merklich, und doch hatte James sich in so kurzer Zeit so sehr verändert. Kate musste an das Schild denken, das ihr im Krankenhaus, in dem sie beide Kinder zur Welt gebracht hatte, aufgefallen war. Über der Tür zum Säuglingszimmer stand dort in bunten Buchstaben: »Wenn du genau hinsiehst, kannst du uns beim Wachsen zusehen!«
    Natürlich gingen Veränderungen nicht in spürbaren Ausbrüchen vonstatten, aber wenn sie wieder arbeiten ging, würde es sich so anfühlen. Sie würde eines Abends nach Hause kommen und von der Tagesmutter erfahren, dass James’ Fahrrad weg war. Wenn sie nachhakte, würde er zugeben, dass er es am Tag zuvor an der Hecke liegen gelassen hatte, was sie nicht bemerkt hätte, als sie spätabends vorfuhr. Wenn sie immer noch nicht lockerließ, würde sie von ihm hören, dass die älteren Jungs, die im Gegensatz zu ihm auf dem Hinterrad fahren konnten, ihn gehänselt hatten und dass er nicht mehr Rad fahren, sondern mit etwas Härterem anfangen wollte, wie Karate. Und Kate würde nichts davon ahnen, bis das Drama schon im letzten Akt spielte und das Rad verschwunden war.
    Elizabeth hatte bei fast allem als Erste Bescheid gewusst, denn nahezu alles war bei ihr zu Hause passiert. Nachdem ihre Kinder geboren wurden, hatte sie nie wieder außer Haus gearbeitet. Sie hatte wohl mal eine Stelle als Assistentin in der Werbebranche gehabt, doch hatte sie kaum über ihren alten Beruf gesprochen, so wie sie generell kaum von ihrem Leben vor den Kindern erzählt hatte. Sie hatte ihr vormaliges Singledasein so abgehandelt, als interessierten diese Jahre sie nicht, als wären sie Einzelheiten eines vor langer Zeit gelesenen Romans. Und doch hatten die Passagen aus Elizabeths Zeit in Florenz Kate an die ausgeschmückten Reiseberichte von Autoren erinnert, die im Ausland gelebt hatten, von Menschen, die sich durch ihre Faszination für eine andere Kultur und ihre Freude darüber, sich darin aufgenommen zu fühlen, selbst entdeckt hatten. Seitdem sie die florentinischen Tagebücher gelesen hatte, hatte sich Kates Verlustgefühl beim Gedanken an Elizabeth verändert. Es war eingefärbt von einer Bitterkeit darüber, dass ihr etwas verwehrt geblieben war. Als wäre ihr etwas vorenthalten worden, was sie unter anderen Umständen möglicherweise bekommen hätte.

    Kate und James saßen mit ihren Wasserflaschen im Gras am Rande der Lamafarm. Kate packte einen Müsliriegel aus, brach ihn in zwei Teile und reichte James die eine Hälfte. »Du wirst immer besser auf dem Fahrrad. Ist es sehr ungewohnt, damit auf dem Radweg zu fahren?«
    »Nein, gar nicht, macht aber mehr Spaß.«
    Kate sah über die Wiese zu den Lamas, die sich mit ihrem ganz eigenen betulichen Gang bewegten und die Lippen vorstreckten, als könnten sie es nicht abwarten, den anderen etwas zu berichten.
    »Es war einmal vor langer Zeit, bevor ich deinen Dad kennenlernte, da reiste ich in ein Land namens Peru …«
    »Das weiß ich schon, Mom«, sagte James ungeduldig.
    »Na gut. Ich hörte jedenfalls von einer Farm, auf der sie wunderschöne Pullis aus der Wolle ihrer eigenen Lamas anfertigten. Ich kam zu einer Wiese wie dieser hier, voller Lamas, und ich fuhr überall herum, um das Farmhaus zu finden. Aber dann habe ich die Orientierung verloren, und die Straße führte nur hoch auf eine Klippe, also musste ich umkehren und wieder wegfahren, ohne die Farm jemals gefunden zu haben. Es war wirklich merkwürdig, als lebten die Lamas ganz allein auf einer Farm mitten in Peru und versorgten sich selbst.«
    James inspizierte den Müsliriegel. Er überlegte, ob er die Cranberry-Stückchen und Sonnenblumenkerne herunterpicken sollte wie das Gemüse von einer Pizza.
    »Wie kann eine Mom verlorengehen?«
    »Verlorengehen?« Kate hielt inne, verunsichert. Wollte er die Wahrheit wissen oder die Versicherung haben, dass sie sich nicht verfahren würde?
    »Na ja,

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