Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wolkentaenzerin

Wolkentaenzerin

Titel: Wolkentaenzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nichole Bernier
Vom Netzwerk:
der ihm einfiel .) Sie blieb den Sommer über in New York und sammelte zusätzliche Scheine in Psychologie, um ein Semester lang Kunst in Florenz studieren zu können.
    In ihrem zweiten Studienjahr wohnte Elizabeth in einem ehemaligen Fabrikgebäude ohne Fahrstuhl auf der Avenue A mit zwei Frauen aus dem Kollektiv, Haviland und Rue, und ihr Apartment wurde zum Treffpunkt für Künstler und Schriftsteller. Sie rauchten Nelkenzigaretten, tranken billigen Wein und bewunderten die Arbeiten von Georgia O’Keeffe und Frida Kahlo. Gegen Ende des vierten Semesters erwähnte sie ein paar Männer, mit denen sie sich traf, ein Vietnamese, ein Pakistani. Wie sie über Nationalitäten und Kulturen schrieb, ließ vermuten, dass sie entweder kosmopolitisch in ihren Liebschaften war oder verliebt in die Vorstellung, kosmopolitisch zu sein.
    Auf einem Foto, das mit einer Büroklammer an einer Seite befestigt war, sah man Elizabeth zwischen zwei ausgefallen aussehenden Frauen auf einem Sofa sitzen. Kate nahm das Foto heraus und betrachtete es. Elizabeth war beinahe nicht zu erkennen. Ihre Haare waren asymmetrisch geschnitten, links reichten sie bis zum Kinn, rechts in einer stoppeligen Kurve bis zum Ohr. Sie schmiegte sich innig an eine Frau mit wildem schwarzem Haar und dunklem Kajalstrich um die Augen, die theatralisch an einer Zigarette zog. Kate hielt das Bild nah vor sich, als würde es dadurch glaubwürdiger.
    Elizabeths Eltern zahlten die Studiengebühren, doch sie arbeitete zusätzlich in einem Café im West Village für ihre Miete und Lebensmittel sowie für Trinkgelder, die ungefähr einer Tube Cadmiumgelb pro Stunde entsprachen. Sie liebte das Café und das Ritual, bevor sie öffnete, wenn sie den Café du jour mahlte und die Milch für den Cappuccino perfekt aufschäumte, um ihn in der Konsistenz steif geschlagener Sahne aus dem Edelstahlkännchen zu löffeln. Sie äußerte sich jedoch kritisch über die Gäste, Firmentypen, die davon redeten, irgendwann einmal so einen süßen Laden wie diesen hier zu kaufen , und Mütter, die mit lauten Kindern und Kinderwagen hereinspazierten, zu lange blieben, herumjammerten und alles vollkrümelten. Warum musste man mit Kindern ins Café gehen? Die Mütter sind unglücklich, die Kinder sind unglücklich und die Leute drum herum sowieso.
    Kate fühlte sich gescholten und war zugleich amüsiert. Das hast du auch gemacht, dachte sie. Wir haben das gemacht, zusammen, andauernd.
    Kate war selbst auch nicht der überschwengliche Babysitter-Typ gewesen, hatte Kinder aber schon immer unterhaltsam gefunden – wie sie Wörter falsch aussprachen, ihren rechten Fuß in den linken Stiefel steckten und noch lange nach Halloween ihre Verkleidungen trugen. Sie hatte sich damals noch nicht näher mit Familienplanung beschäftigt, war aber überzeugt davon, dass sie Kinder haben würde, sobald der richtige Zeitpunkt dafür gekommen war.
    Elizabeths Ablehnung gegenüber Kindern war seltsam. Wie konnte jemand, der keine Freude an Kindern hatte und sie als störend empfand, nicht nur seine eigenen, sondern jedes einzelne Kind aus der Spielgruppe so begeistert annehmen? Das passte nicht zusammen.

    Elizabeth schrieb weniger über ihr Semester in Florenz, als dass sie es malte, Seite um Seite voller Kunst und Architektur, Parks mit Baumskulpturen, florentinisches Treiben mit Kommentaren am Seitenrand. Sie hatte den Dom gezeichnet, sich immer wieder aus verschiedenen Perspektiven den Glockenturm vorgenommen. Sie skizzierte die Ladenzeile auf dem Ponte Vecchio und die Statuen und Brunnen im Boboli-Garten. Ein ganzer Abschnitt war Michelangelos David gewidmet. Auf Kates ungeschultes Auge wirkten die Zeichnungen wie das Werk einer talentierten Hand, auf einer Seite realistische Skizzen, die auf der nächsten unkonventionell abgewandelt wurden. Sie konnte sich nicht vorstellen, solch eine Begabung zu haben und sie dann einfach aufzugeben.
    In Florenz wohnte Elizabeth mit einer Handvoll Kommilitonen aus ihrem Austauschprogramm in einer kleinen Pension in der Nähe des Palazzo Pitti und schien relativ viel Zeit mit der Patrona des Hauses und ihren drei kleinen Kindern zu verbringen. Es gab Skizzen aus dem Familienalltag, eine Frau mit markantem Gesicht, die in der Küche Gemüse schnitt, ein kleiner Junge mit widerspenstigen Locken bis über den Kragen, der Katzen fütterte. Rezepte am Seitenrand für Carbonara-Soße und Maronenkuchen und eine Anleitung, wie man Brotteig ansetzte.
    Als das Semester zu Ende war,

Weitere Kostenlose Bücher