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Wolkentaenzerin

Wolkentaenzerin

Titel: Wolkentaenzerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nichole Bernier
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Widerstand gegenüber Dave schmolz. Der Eistee im Glas war vergessen und erwärmte sich in der Sonne.
    Im März reisten Elizabeth und Dave nach Georgia, um den 65. Geburtstag seines Vaters zu feiern. Das enorme Haus ähnelte einer Plantage im Greek-Revival-Stil und war von unzähligen Eichen und Magnolien umgeben. Es war mit nichts zu vergleichen, was Elizabeth bisher gesehen hatte. Die Eintracht der Familie war ebenso beeindruckend und überwältigend, und Daves Brüder waren so überschwenglich, dass Elizabeth zwischendurch zur Toilette floh, um dort einen Moment Ruhe zu haben. Seine Eltern hätten den ihren nicht unähnlicher sein können. Sein Vater ist der Hauptdarsteller und muss bei allem das letzte Wort haben. Dabei werden aus einem Scotch vier. An seinem Geburtstag hat er Dave einen Vortrag darüber gehalten, dass er es auf Hawaii nicht in die Endrunde geschafft hat, und er hat auch nicht aufgehört, als es nicht mehr witzig war. Daves Mutter ist die gelassenste, umgänglichste Person, die mir je begegnet ist. Ich glaube, sie steht unter dem Einfluss von Medikamenten.
    Überall im Haus gab es Fotos von Daves Schwester Dani, schön und mit 31 Jahren in der Zeit stehengeblieben. Ihr Witwer Zack war mit den Kindern da, und für die beiden war Dave der Onkel, den sich jeder wünschte: lustig, geduldig, nachsichtig. Er verwöhnt sie nach Strich und Faden . Die gesamte Familie erzählte so selbstverständlich Geschichten über Dani wie über jemanden, der nur an diesem Tag gerade nicht zu Besuch war. Nicht so Dave. Er erwähnte sie nie, und wenn jemand anders über sie sprach, verließ er den Raum.
    Merkwürdig, dachte Kate, dass er selbst bei Elizabeth so eine Mauer um sich aufbaute, die doch auch eine Schwester und dazu noch ihre Mutter verloren hatte.
Freitag, 18. März 1994
Vorhin saß ich allein mit Dave auf der Veranda und sagte ihm, wie schön ich es finde, dass alle die Erinnerung an Dani am Leben erhalten mit ihren Geschichten und dass das bestimmt auch gut für die Kinder ist. Wir saßen auf der Verandaschaukel, und Dave schaukelte ein bisschen vor und zurück. Die Sonne sank mindestens fünf Zentimeter hinter den Azaleen, bevor er reagierte.
»Ja, vermutlich, vor allem für die Kinder.«
Ich wusste, dass ich mich damit weit aus dem Fenster lehnte, aber ich wollte es trotzdem probieren und habe ihn gefragt, ob er sie hier zu Hause mehr vermisste. Wir starrten beide in den Himmel, als wäre nichts faszinierender als der Sonnenuntergang. Nach gefühlten Stunden sagte er schließlich: »Ich vermisse sie nie mehr oder weniger, ich vermisse sie einfach.«
Ich überlegte, ob ich ihm von meiner Schwester erzählen sollte, aber das fühlte sich ganz falsch an. Nicht nur, weil ich mich in seine Trauer einmischen würde, sondern weil ich mir auch seine Reaktion vorstellen kann: Und das erzählst du mir jetzt? …
    Kate las erneut die letzten Sätze und dann noch einmal. Elizabeth hatte es ihm nie erzählt.
 … Mir fallen einfach keine Worte dafür ein, mit denen ich ausdrücken könnte, was ihr zugestoßen ist. Wie kann ich das laut aussprechen? Wenn man vor jemandem herfährt, der kaum acht Jahre alt ist, ist man immer noch schuld, wenn etwas hinter einem passiert. Gerade wenn man achtlos ist, und es ist umso unverzeihlicher, wenn man diese Person abhängen wollte, weil man nicht für jemand anderen verantwortlich sein wollte. Das schreit förmlich danach, dass man so jemandem keine Kinder anvertrauen kann.
Sonntag, 20. März 1994
Morgen fahren wir ab. Ich hatte mehr Spaß, als ich vermutet hätte. Große Familien entwickeln eine Eigendynamik, sie ziehen einen einfach in ihren Kosmos hinein.
Ich hatte gestern Abend beim Abspülen ein merkwürdiges Gespräch mit Zack. Er ist stiller als die Brüder, wahrscheinlich zieht er sich auch manchmal gern zurück. Er fragte mich, wie Dave und ich uns kennengelernt haben und wie lange wir schon zusammen sind, und als ich erzählte, seit anderthalb Jahren, sagte er: »Das ist gut.« Aber es klang komisch, nicht »Das ist gut« im Sinne von »Wie schön«, sondern eher »Wie gut für ihn«.
Ich wusste nicht, wie ich darauf reagieren sollte, also haben wir geschwiegen. Ich wollte gerade fragen, wie es den Kindern geht, als er sagte: »Es ist schön, dass ihr zusammen seid. Dave hat schon lange nicht mehr so glücklich ausgesehen.«
Ich habe ihn über Dani und Dave in ihrer Jugend ausgefragt, da es ihn nicht zu stören scheint, wenn er über sie spricht. Er hat erzählt,

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