Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)
Frau Sartorius.
»Wie bitte?«, fragte Herr Sartorius sicherheitshalber noch einmal nach.
»Eigenbedarf«, sagte ich knapp und trat zur Bekräftigung meiner Forderung dicht an sie heran.
Die beiden sahen sich fassungslos an. Dann stellten sie wortlos ihre Pappteller auf den Boden und standen auf.
»Donnerwetter«, meinte Helga, als wir uns gesetzt hatten, »so kenne ich dich ja gar nicht, Bernd.«
Ich nickte zufrieden.
»Und was schlägst du mir jetzt vor?«, fragte sie fast ein wenig ängstlich, was für die Durchführung meines Plans allerdings eher hinderlich war. Schließlich sollte sie sich nicht bedroht fühlen.
»Könntest du dir vorstellen«, sagte ich möglichst locker, »mit mir ein Verhältnis anzufangen?«
Eine Weile reagierte sie überhaupt nicht. Ich hatte schon Angst, sie beleidigt zu haben. Doch dann lachte sie plötzlich laut los, dass es bis zu den Nachbargrundstücken zu hören war.
Ich wurde rot und versuchte mir meine Erschütterung nicht anmerken zu lassen.
»Ich kann mir einiges vorstellen«, antwortete sie weiterhin von kurzen Lachsalven attackiert, »aber ein Verhältnis mit dir?« Sie blickte mich prustend an, die zerfließende Augentusche hatte ihr Gesicht derweil in eine Clownsmaske verwandelt. Ich fragte mich, was falsch gelaufen war. Hätte ich erst meine Hand auf ihr Knie legen sollen?
»Also nicht?«, fragte ich enttäuscht.
»Ich dachte immer, dass du dich mit deiner Frau gut verstehst.«
»Ich lese ihr jeden Wunsch von den Augen ab«, erwiderte ich tonlos.
»Wenn ich das von meinem Mann sagen könnte!«
»Sag doch einfach«, sagte ich kühl, »dass du mich als Mann nicht attraktiv findest.«
Sie wischte sich die Tränen aus den Augen und räusperte sich. »Ich möchte einfach unsere Freundschaft nicht aufs Spiel setzen. So einen sensiblen Mann findet man nicht alle Tage. Wir sollten es so lassen, wie es ist, finde ich.« Damit schien für sie das Thema erledigt.
Ich beobachtete eine Wespe, die sich auf dem Kartoffelsalat von Herrn Sartorius niedergelassen hatte. Ich nahm vorsichtig die Gabel, wartete einen Moment, bis sie sich sicher fühlte, und dann drückte ich die Wespe mit einer abrupten Bewegung in den Salat.
»Vielleicht möchte ich ja gar nicht sensibel sein«, sagte ich, mehr zu mir selbst, und blickte mich im Garten um. Neben dem Aufgang zur Terrasse entdeckte ich Jutta, die mit Gunnar in ein Gespräch vertieft war. Das heißt, Gunnar redete und Jutta hörte ihm aufmerksam zu. So hatte ich meine Frau noch nie erlebt. Normalerweise war es Jutta, die redete, während die anderen ehrfurchtsvoll lauschten. Gunnar trug ein weißes Hemd, das ihm bis zur Brust offen stand. Er wirkte gleichzeitig leger und elegant. Ich fragte mich, wie es manche Männer hinbekamen, in jeder Kleidung den Eindruck lässiger Souveränität auszustrahlen. Selbst mit einem offenen, weißen Hemd hätte ich nie souverän gewirkt.
Während Gunnar sprach, fasste er sich reflexartig immer wieder an die schwarze Hornbrille, als wollte er dadurch die Wichtigkeit seiner Aussagen betonen. Die rechte Hand steckte in seiner Hosentasche, mit der anderen fuchtelte er gestenreich in der Luft. Gunnar fühlte sich anscheinend so wohl in seiner Haut, dass ich es kaum mit ansehen konnte.
Da ein Verhältnis mit Helga gegenwärtig nicht mehr zur Debatte stand, beschloss ich rüberzugehen, um zu hören, was Gunnar so Wichtiges zu erzählen hatte.
Gut sichtbar näherte ich mich von der Seite, damit sie nicht glaubten, ich wollte sie ausspionieren. Doch die beiden bemerkten mich erst, als ich schon fast zwischen ihnen stand.
»Bernd!«, rief Gunnar und schlug mir hart auf die Schulter, dass ich nach vorne wankte. »Sie habe ich die ganze Zeit vermisst.«
»Gunnar«, sagte ich deutlich weniger enthusiastisch, ich zwängte meine Hand in die Hosentasche und versuchte lässig zu wirken, »von Ihnen hört man ja gar nichts mehr.« Ich sah zu meiner Frau, die meinen Blick aber geflissentlich ignorierte.
»Und ich dachte immer, ich sei das Top-Thema bei euch.« Er bog sich vor Lachen. Ich überlegte, was lustig daran war. Vielleicht wusste er es selber nicht.
»Ich bin übrigens der Gunnar«, erklärte Gunnar leutselig und streckte mir seine Hand entgegen.
»Gunnar«, sagte ich prompt nach der Hand greifend. Noch Stunden später spürte ich seinen dominanten Daumen auf meinem Handrücken.
»Jutta hat mir erzählt, dass du ein Sabbatical machst, finde ich echt super!«
Ich blickte wieder zu meiner Frau.
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