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Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)

Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)

Titel: Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Beldt
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zu kämpfen, nur bei mir lief alles wie am Schnürchen. Selbst mit meiner Frau hatte ich nie ernsthafte Probleme gehabt. Es war kurios: In dem Augenblick, wo ich am zufriedensten war, wurde ich unglücklich. War meine Zufriedenheit etwa weniger wert als das hart erkämpfte Glück anderer Menschen? Ich wusste nicht, woher die Auffassung rührte, dass man erst das Tal der Tränen durchschreiten musste, ehe man ein Anrecht auf Glück hatte. Ich wusste nur, dass irgendetwas in meinem Leben gerade gewaltig schieflief.
    Punkt sechs trafen die ersten Gäste ein. Ich bewegte mich keinen Zentimeter vom Fleck. Meine gelb-grüne Sommerbekleidung harmonierte so gut mit dem geblümten Stoffmuster der Schaukel, dass mich die Gäste zunächst gar nicht wahrnahmen. Selbst Jutta schien mich nicht zu bemerken, was ich jedoch mehr auf mein ungebührliches Verhalten zurückführte. Heimlich hoffte ich schon, den ganzen Abend unbemerkt auf meiner Schaukel verbringen zu können. Ich wäre zwar anwesend, müsste aber mit niemandem reden. Gespräche strengten mich bereits nach zehn Minuten so an, dass ich hinterher eine Stunde ruhen musste. Je älter ich wurde, desto größer wurde mein Wunsch nach Stille. Mit vierzig hatte ich den Eindruck, alles schon einmal gesagt zu haben. Anscheinend gehörte es jedoch zu den sozialen Pflichten, bereits Gesagtes in stets überraschenden Variationen dauernd zu wiederholen. Das belastete mich zunehmend, denn ich musste mir ständig neue Variationen einfallen lassen, um nicht als Langweiler dazustehen. Besonders gegenüber meiner Frau fühlte ich mich verpflichtet, alte Themen in neuem Licht erscheinen zu lassen. Mitunter dachte ich den ganzen Tag darüber nach, wie ich meine Frau durch eine originelle Darstellung alter Hüte aufs Neue verblüffen konnte. Dabei wäre ich gerne ein bekennender Langweiler gewesen. Ich hatte meinen Großvater immer dafür bewundert, dass er sich nach seiner Pensionierung nur noch zu streng sachbezogenen Fragen meiner Großmutter äußerte. Eigenständige Verlautbarungen seines Gefühlslebens fanden nicht mehr statt. Am Ende sagte er sogar überhaupt nichts mehr, sondern tat seine Meinung lediglich in unterschiedlichen Brummtönen kund, die einzig meine Großmutter zu deuten in der Lage war. Als Mann sollte man das Recht haben, ab einem bestimmten Alter nur noch in unterschiedlichen Tonhöhen zu brummen.
    Die stetig eintrudelnde Gästeschar begann sich langsam über das Grundstück zu verteilen. Auch das Ehepaar Sartorius – ich kannte die beiden von einem früheren Besuch, er war Geschäftsführer der Friedrich-Ebert-Stiftung, was ich mir seltsamerweise gemerkt hatte – näherte sich mit Weingläsern »lustwandelnd« meinem Ruhedomizil am Tannenhain. Ich hörte, wie sie sich über den gepflegten Garten unterhielten. »Meinst du, dass sie einen Gärtner haben?«, fragte Frau Sartorius. »Das kann ich mir kaum vorstellen«, sagte Herr Sartorius. »Aber Geld genug haben sie doch«, warf Frau Sartorius ein. Herr Sartorius zuckte die Schultern. »So viel wird sie nun auch nicht verdienen.« »Ihr Mann arbeitet doch bei der Universität«, sagte Frau Sartorius nun schon leicht zornig über die Ahnungslosigkeit ihres Mannes. »Als Doppelverdiener hat man ja nicht automatisch Personal«, entgegnete Herr Sartorius ein wenig pikiert. »Schade, dass wir nicht auch so einen Garten haben«, sagte Frau Sartorius wehmütig, »für unsere Jungs wäre das ein toller Platz zum Fußballspielen.«
    Sie waren jetzt nur noch zwei Meter entfernt und hatten mich noch immer nicht entdeckt. Ich ärgerte mich, dass Frau Sartorius meinen Garten lediglich als potentiellen Bolzplatz wahrnahm. Ehepaare mit Kindern betrachteten die Welt offenbar nur unter dem Gesichtspunkt der Nützlichkeit. Dass es auch zweckfreie Orte reiner Anschauung gab, kam ihnen nicht in den Sinn.
    Erschrocken bemerkte ich, dass sie vorhatten, sich auf der Hollywoodschaukel niederzulassen. Bei allzu großer Anpassung an die Umgebung musste man immer damit rechnen, zerquetscht zu werden. Sie standen bereits mit dem Rücken zu mir. »Wir sollten auch mal wieder eine Party feiern«, meinte Frau Sartorius, während sie ihre Hand unters Gesäß schob, damit das Kleid beim Hinsetzen nicht zerknitterte. »Hast du das Büfett gesehen?«, fragte Herr Sartorius und suchte in meiner unmittelbaren Kopfnähe mit seiner Hand nach irgendetwas zum Festhalten.
    In diesem Augenblick blieb mir nichts anderes übrig, als laut und deutlich zu

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