Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)
brummen.
»Huah«, machte Frau Sartorius und drehte sich erschrocken um. Nicht »Huch« oder »Ha«, sondern »Huah«! Ich konnte Frau Sartorius ohnehin nicht leiden.
»Ich habe Sie ja gar nicht bemerkt«, rief sie und hielt entsetzt die Hand vor den Mund, als wäre gerade noch eine schreckliche Tragödie verhindert worden. »Mann von Frauenhintern zerquetscht. – Es hätte ein schönes Fest werden sollen.«
»Das passiert mir öfters«, sagte ich, um sie ein wenig zu entlasten.
»Hier liegen Sie also«, bemühte sich Herr Sartorius um eine witzige Auflösung der Situation.
Ich versuchte mich aufzurichten, was gar nicht so leicht war, wenn sich die Schaukel einmal in Bewegung gesetzt hatte. Ich fühlte mich wie ein gestrandeter Wal. Als es mir endlich gelang, mein rechtes Bein herauszuwuchten, schwang die Schaukel so weit zurück, dass ich jede Sekunde auf dem Boden zu landen drohte.
»Kann man das Dings denn nicht irgendwo feststellen?«, fragte Herr Sartorius, dem die Lage nun ebenfalls langsam brenzlig erschien.
»Vielleicht sollten wir Hilfe holen«, schlug Frau Sartorius vor.
Bevor ich noch mehr Aufmerksamkeit erregte, ließ ich mich elegant nach vorne rutschen und erreichte kniend wieder festen Boden.
»Haben Sie sich wehgetan?«, fragte Frau Sartorius mitfühlend.
Ich hatte keine Ahnung, weshalb sich die Leute ausgerechnet um mich immer so große Sorgen machten.
»Ich rutsche schon seit Jahren unfallfrei von der Schaukel«, sagte ich.
»Die meisten Unfälle passieren bekanntlich zu Hause«, klärte mich Herr Sartorius vorsichtshalber auf.
»Streng genommen«, sagte ich, während ich aufstand, »passieren die meisten Unfälle im Haus.«
»Hauptsache, es geht ihm gut«, wandte sich Frau Sartorius zu ihrem Mann.
»Alles in Ordnung«, erwiderte ich, obwohl ich nicht direkt angesprochen war.
Beide sahen überrascht an mir herunter, als hätten sie erst jetzt meine Kleidung bemerkt.
»Ich mache übrigens alles selbst«, sagte ich mit Blick auf den Garten. »Und das ist ein Zierrasen und kein Sportrasen«, fügte ich noch hinzu, falls Frau Sartorius plante, demnächst mit ihrem Nachwuchs hier aufzutauchen.
Ich ließ sie mit ihren verdutzten Blicken neben der Schaukel stehen und ging hoch zur Terrasse. Dort hatten sich die illustren Gäste bereits um das Büfett versammelt und sprachen bei Würstchen und Kartoffelsalat über die Krise des Koalitionspartners. »In die Wüste schicken sollte man den Kerl«, »Als Parteichef völlig ungeeignet«, »Mehr gewollt, als gekonnt«, »Am besten sofort absägen«.
Ich schenkte mir Wein ein und überlegte, wie ich mich in die Runde einbringen konnte. Ich hatte mich nie sonderlich für Politik interessiert. Es reichte mir zu wissen, welche Partei gerade den Bundeskanzler stellte. Die Nachrichten im Fernsehen betrachtete ich mit der distanzierten Herablassung eines Menschen, der insgeheim wusste, dass er nie wirklichen Zugang zu dieser Welt aus Intrigen und Machtspielen zu bekommen würde. Inmitten der aufgeplusterten Alphamännchen, die so entschlossen von ihren Würstchen abbissen, als müssten sie auch hierbei Stärke demonstrieren, fühlte ich mich plötzlich seltsam verloren. Niemand beachtete mich. Niemand sah den Mann in den kurzen Hosen, der lediglich für das Nachfüllen der Töpfe zuständig war. Diese Männer schienen der Beweis dafür zu sein, dass ich mein Leben als Mann verfehlt hatte. Ich schämte mich, dass ich nicht mitreden konnte. Ich schämte mich, dass ich nicht entschlossen in Würstchen beißen konnte. Ich schämte mich, dass ich die Welt nicht erobern wollte. Ich war schon froh, dass ich der Blumenverkäuferin klarmachen konnte, dass die Blumen nur für meinen privaten Gebrauch bestimmt waren.
In diesem Augenblick kam Jutta auf mich zu.
»Weißt du, wer auch da ist?« Sie übersah die Tatsache, dass ich mich nicht umgezogen hatte, was ich nun doch etwas beleidigend fand. Hatte sie mich schon aufgegeben?
»Die Würstchen kommen gut an«, sagte ich, ohne auf ihre Frage einzugehen.
»Es bleibt den Leuten ja nichts anderes übrig!«
»Der Parteichef soll in die Wüste geschickt werden«, flüsterte ich aufgeregt, als hätte ich eben ein brisantes politisches Geheimnis erfahren.
»Unser Parteichef?«, begann nun auch Jutta zu flüstern.
Ich dachte kurz nach. »Nein, der vom Koalitionspartner.«
»Und wer will ihn in die Wüste schicken?«
»Der Lange da«, sagte ich mit einer kurzen Kopfbewegung.
»Lutz?«
»Lutz?« Ich hatte den
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