Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)
er mir von seinem Tag erzählt.«
Plötzlich erkannte ich, dass der einzige Mann in dieser Runde meine Frau war. Ich rang noch mit einer für mich günstigen Einordnung dieser doch ein wenig überraschenden Erkenntnis, als Helga auf einmal sehr ernst wurde.
»Wissen Sie, was die Hauptursache von Scheidungen ist?«
»Sie werden es mir sicher gleich sagen.«
»Die fehlende Anerkennung durch den Partner.«
Juttas Redefluss war für einen Moment gestoppt. Sie schien tatsächlich darüber nachzudenken. Insgeheim hoffte ich, dass die Auseinandersetzung damit beendet war. Doch Jutta wäre nicht Jutta gewesen, wenn sie sich so einfach geschlagen gegeben hätte.
»Ich nehme an, Sie sprechen aus eigener Erfahrung«, meinte sie trocken.
Helga wirkte bestürzt. »Wie darf ich das jetzt verstehen?«
Jutta gönnte sich eine rhetorische Pause, in der sie unter Missachtung der Steinplatten, die ich extra gelegt hatte, um die Vegetation nicht zu beschädigen, mitten durchs Beet auf die Terrasse stapfte.
»Mein Mann hat mir so einiges über Sie erzählt.«
Helga blickte mich böse an. Vor Schreck gelang es mir lediglich, den Kopf zu schütteln.
»Hast du ihr etwa alles erzählt?«
»Nein, nein«, sagte ich abwehrend, »vielleicht habe ich mal nebenbei … «
Sie stand abrupt auf und stieß dabei so heftig gegen den Tisch, dass der Kaffee über die Tassenränder schwappte.
»Das hätte ich wirklich nicht von dir gedacht!« Ohne mich noch mal anzusehen, verließ sie die Terrasse, marschierte dabei zu meinem Entsetzen ebenfalls durchs Beet und verschwand hinter der Hecke.
Jutta warf mir einen kurzen, vernichtenden Blick zu und ging dann wortlos ins Haus.
Ich saß noch eine Weile still am Tisch und blickte erschrocken aufs Grundstück. Es war ein blauer, sonniger Samstagnachmittag, aber in mir wütete ein furchtbares Unwetter, und es war noch keineswegs klar, wie ich es überstehen würde.
13
Nach der Geschichte mit Helga herrschte erst mal Funkstille zwischen Jutta und mir. Wir schliefen getrennt. Jutta hatte mich wortlos ausquartiert, das Bettzeug in mein Zimmer geworfen und die Schlafzimmertür abgeschlossen. Es war beinahe wie früher in meiner Schöneberger Junggesellenzeit. Ich lag allein in meinem Bett, blätterte in einer Klatschzeitschrift, und bevor ich das Licht löschte, überlegte ich mir Pläne für den morgigen Tag. Allerdings gab es einen entscheidenden Unterschied: Ich hatte keine Ahnung, was ich am nächsten Tag tun sollte.
Von meinem Zimmerfenster konnte ich Zoe gut auf ihrem Balkon beobachten. Heimlich beneidete ich sie um ihr sorgloses Leben. Wie sie in der Hängematte lag und sich ganz ihrem Piratenleben überließ, ohne auch nur eine Sekunde an sich zu zweifeln, berührte meine innerste Sehnsucht nach Unabhängigkeit von allen Anforderungen des Erwachsenenlebens. Wenn es möglich wäre, genau so zu leben wie sie, ohne noch einmal die Pubertät durchstehen zu müssen, ich hätte mich auf der Stelle in eine Hängematte gelegt.
Obwohl ich gerne Junggeselle gewesen war, hatte ich jedoch nicht vor, in diesen Stand zurückzukehren. Ja, schon nach wenigen Stunden gegenseitigen Schweigens begann ich den gewohnten Umgang mit meiner Frau zu vermissen. Vielleicht hatte ich die Sache mit Helga doch ein wenig übertrieben. Im Grunde schämte ich mich sogar, Jutta auf diese Weise vorgeführt zu haben. Aber was blieb mir den anderes übrig? Ich hatte ihr doch nur zeigen wollen, dass ich auch anders konnte. Dass ich nicht jemand war, der alles so einfach hinnahm und es zuließ, wie sich Gunnar Fahrenkamp in unsere Ehe drängte. Dabei musste ich jedoch feststellen, dass ich zwar anders konnte, eigentlich aber nicht anders wollte. Jahrelang hatte ich vieles nur hingenommen, und bis vor kurzem war ich ganz gut damit gefahren. Doch auf einmal schien es Jutta nicht mehr zu reichen. Fast glaubte ich, meine Frau suchte bewusst nach einer Auseinandersetzung, nur um mich zu testen. Indem sie Gunnar ins Spiel gebracht hatte, wollte sie herausfinden, ob ich der Lage gewachsen war und den Kampf mit einem vermeintlichen Kontrahenten unerschrocken aufnahm. Andererseits lebten wir nicht mehr in der Steinzeit, wo der Mann seine Familie gegen Feinde verteidigen musste. Ich war ein friedliebender Mensch, ich hatte keine Lust, gegen irgendjemanden einen Krieg anzuzetteln, wenn es nicht unbedingt notwendig war.
Leider schienen die diplomatischen Möglichkeiten inzwischen restlos ausgeschöpft. Und da ich mir fest vorgenommen
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