Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)
hatte, in diesem Fall Stärke zu demonstrieren, blieb mir nichts anderes übrig, als den Kampf aufzunehmen.
Am Sonntag frühstückten wir getrennt. Ich schmierte mir hastig ein Toastbrot und verzehrte es lustlos auf meinem Zimmer. Wir sahen uns nicht an und versuchten, uns wenn möglich nicht gleichzeitig im selben Raum aufzuhalten. Wenn wir uns doch einmal trafen, drehten wir sofort um und gingen in eine andere Richtung davon. Das heißt, hauptsächlich war ich es, der sich umdrehte und davonging, während Jutta ihren Weg unbeirrt fortsetzte. Sooft ich durchs Wohnzimmer in den Garten zu gelangen versuchte, saß oder stand Jutta mir irgendwo im Weg, sodass ich entweder direkt in mein Zimmer zurückkehrte oder mich eine Weile sinnlos im Flur herumtrieb und die Bilder an den Wänden betrachtete, als sähe ich sie zum ersten Mal.
Nach zwei Stunden wurde es mir zu bunt. Am frühen Nachmittag trat ich entschlossen auf die Terrasse, wo sich Jutta bereits im Liegestuhl sonnte. Ohne mich länger dort aufzuhalten, drehte ich rasch den Wasserhahn auf, zog den Schlauch runter auf den Rasen und begann die angrenzenden Beete zu wässern. Etwa eine Stunde lang goss ich sämtliche Pflanzen. Rosen, Tannen, Gräser, selbst das Unkraut goss ich so ausgiebig, als würde es mich plötzlich gar nicht mehr stören. Schließlich spritzte ich so ziemlich alles ab, was mir vor den Schlauch kam. Während ich mich im Kreis drehte, schoss eine meterhohe Fontäne über das Grundstück. Ich war beeindruckt, was so ein kleiner Schlauch alles hergab, und heimlich bedauerte ich es, dass mir Jutta den Rücken zukehrte und nicht sehen konnte, wie ich dort mit durchgedrücktem Kreuz in der Mitte des Rasens stand und das gesamte Grundstück abspritzte.
Als ich erschöpft zurück auf die Terrasse gehen wollte, um das Wasser abzustellen, erkannte ich zu meinem Erschrecken, dass Jutta derweil die Liege umgestellt hatte, und zwar unmittelbar vor den Wasserhahn. Nach meiner Kenntnis hatte sie noch nie dort gelegen, und ich konnte nicht ausschließen, dass sie sich extra dorthin gelegt hatte, um mich in meiner Arbeit zu behindern. Wollte sie mich herausfordern? Wollte sie, dass ich über die Liege stieg und das Wasser abdrehte?
Im Laufe unserer Ehejahre hatte sich die Kommunikation von der verbalen zunehmend hin zur Körpersprache verlagert, als böte der körperliche Ausdruck letztlich mehr Raum zur kreativen Gestaltung einer Beziehung, in der alles Wesentliche längst gesagt war. Doch auch hier wurde mir schnell klar, dass meine Ausdrucksmöglichkeiten relativ begrenzt waren. Während Jutta ein dicker Katalog verschiedenster, oft schwer voneinander zu unterscheidender Körperausdrücke zu Verfügung stand, musste ich mich mit einem Faltblatt zufriedengeben.
Die Frage, die sich mir mit dem weiterhin üppig sprudelnden Schlauch in der Hand stellte, war: Deutete Jutta durch ihre neue Lage Gesprächsbereitschaft an, oder wollte sie mir lediglich eins auswischen? Weil ich jedoch kein Bedürfnis verspürte, ihrer Körpersprache langwierige Untersuchungen zu widmen, beschloss ich, zunächst nichts zu unternehmen. Ich warf den Schlauch auf den Rasen und setzte mich auf die Hollywoodschaukel.
Nach zwanzig Minuten hatte sich ein kleiner See um den Schlauch gebildet, und ich begann mich besorgt zu fragen, ob meine Einschätzung überhaupt richtig war. Währenddessen hatte ich nämlich beobachtet, dass große Teile der Terrasse bereits im Schatten lagen und nur der Platz vor dem Wasserhahn noch die Möglichkeit zum Sonnen bot. Juttas Wechsel hatte demnach also nicht den geringsten kommunikativen Wert. Ich sprang auf, rannte ums Haus herum zum Vordereingang und drehte in der Kammer den Hauptwasserhahn zu.
Abends wäre ich fast weich geworden. Das heißt, je näher der Abend und damit die obligatorische Frage nach dem Fernsehprogramm rückte, desto unvermeidlicher erschien mir eine Aussöhnung. Ich hatte längst rote Stressflecken im Gesicht, ein sicheres Zeichen, dass mir die Situation stark zu schaffen machte. Für Stress jeglicher Art war ich einfach nicht der richtige Ansprechpartner. Heimlich bewunderte ich Menschen, die Stress für einen normalen Bestandteil ihres Lebens hielten. Mir reichte es schon, wenn ich die Zutaten fürs Abendessen einkaufen musste.
Um mir meinen Platz im Wohnzimmer zu sichern, saß ich bereits ab siebzehn Uhr vor dem Fernseher, während Jutta immer noch draußen auf der Terrasse lag. Drei Stunden hatte ich Chips und Kräcker in mich
Weitere Kostenlose Bücher