Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)
fort.
»Bernd, ich habe dich immer bewundert«, sagte Gunnar plötzlich von hinten und legte seinen Arm um mich.
Er nannte zwar keine Gründe für seine Bewunderung, aber langsam begann ich zu ahnen, was er damit gemeint haben könnte.
Bevor es zu freundschaftlich wurde – ich wollte nicht den Eindruck erwecken, dass man mich so ohne weiteres als Freund bekommen konnte, ich wollte umworben werden, musste spüren, dass man es wirklich ernst mit der Freundschaft meinte – , ging ich raus auf den Parkplatz und schnappte ein wenig frische Luft. Die Frischluft machte mich sofort noch müder, und ich beeilte mich, in Juttas Hotelzimmer zu kommen, wo ich mich aufs Bett legte und den Fernseher einschaltete.
Irgendwann musste ich eingenickt sein. Als ich wieder erwachte, war es draußen bereits dunkel. Ich sah auf die Uhr und erkannte zu meinem Schrecken, dass es schon weit nach Mitternacht war. Ich hatte das Abendessen versäumt, was mir sofort ein schlechtes Gewissen bereitete. Vielleicht hatte mich die Justizministerin aber schon längst wieder vergessen und mein Fehlen gar nicht bemerkt.
Ich stand auf und verließ das Zimmer. Ich wollte mir draußen ein bisschen die Beine vertreten und einen klaren Kopf bekommen, ehe ich mich auf die Suche nach Jutta machte.
Durch eine Seitentür gelangte ich in einen Park. Jedenfalls kam es mir wie ein Park vor, denn die Nacht hier draußen auf dem Land war so dunkel, dass ich kaum zehn Meter weit blicken konnte. Wenigstens der Mond schien. Irgendwo hörte ich einen Zug vorbeirauschen. Ein Hund bellte. Es war mir ein wenig unheimlich, doch die kühle Luft tat mir gut. Weiter hinten bemerkte ich eine große, glitzernde Fläche. Vermutlich ein See. Ich fragte mich, warum mir Jutta nicht auch vorgeschlagen hatte, angeln zu gehen. Als Angler wäre ich vielleicht ein ernst zu nehmender Ehemann, dem man weitere Herausforderungen dafür gerne ersparte. Als Angler bräuchte ich nicht viel mehr zu tun, als dazusitzen und aufs Wasser zu sehen. Im Grunde wäre Angeln die ideale Lösung gewesen.
Ich näherte mich langsam dem See. Eine einzelne Laterne stand am Seeufer, dahinter führte ein Steg zu einem Bootshaus. Von irgendwo hörte ich flüsternde Stimmen. Sie schienen vom Bootshaus zu kommen. Eine männliche und eine weibliche Stimme. Auf einmal hatte ich einen furchtbaren Verdacht. Hatte mich Jutta nur deshalb so gedrängt zu gehen, um später mit Gunnar allein sein zu können?
Ich versuchte irgendetwas zu erkennen, erkannte aber nur zwei schemenhafte Gestalten, die eng beieinanderstanden und sich äußerst angeregt unterhielten. Weil ich aus dieser Entfernung nicht hörte, was sie redeten, betrat ich vorsichtig den Steg und bewegte mich in Zeitlupe Richtung Bootshaus. Je näher ich kam, desto wütender wurde ich. Ich war wütend auf Gunnar, der mir seine Bewunderung offenbar nur vorgespielt hatte. Ich war wütend auf meine Frau, der ich wochenlang auf den Leim gegangen war. Wahrscheinlich amüsierten sie sich gerade über meine hilflosen Versuche, mich als Mann zu beweisen. Ich hatte einen großen Fehler gemacht. Doch ich hatte keinesfalls vor, beide ungeschoren davonkommen zu lassen.
Ich war jetzt nur noch wenige Meter von ihnen entfernt. Sie waren so mit sich beschäftigt, dass sie mich gar nicht bemerkten.
»Kannst du dir sein Gesicht vorstellen? So blöd hat noch niemand ausgesehen«, flüsterte die männliche Stimme.
»Der Arme«, flüsterte die weibliche Stimme, »irgendwie tut er mir auch leid.«
»Ach was, wenn man es nicht bringt, ist man eben schnell weg vom Fenster.«
»Ich fand ihn immer sehr nett.«
»Nett, aber blöd! Solche Kerle hast du doch gar nicht verdient.«
»Aber dich habe ich verdient, oder wie?«
»Ich bin der Beste, und das weißt du.«
»Ja, natürlich weiß ich es, aber man braucht eben auch solche Leute, die einem den ganzen Kram vom Leibe halten. Ohne die geht es nun mal nicht. Du bist mein Kampfhund, er ist mein Schoßhund, verstehst du?«
Ich hatte genug gehört. Ich war außer mir vor Wut. Das war also der Dank für meine jahrelange Arbeit, dafür dass ich das Haus in Ordnung gehalten und ihr den ganzen »Kram« wie Waschen und Putzen abgenommen hatte. In ihren Augen war ich lediglich ein Schoßhund, nett, aber blöd. Kein Kampfhund wie Gunnar, sondern jemand, den man eben auch brauchte.
Mein ganzer Körper pumpte sich auf. Ich kam mir jetzt ein bisschen vor wie ein Kissen, ein Kampfkissen, und noch ehe mir ganz bewusst war, was ich tat,
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