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Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)

Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)

Titel: Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Beldt
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herausgekommen. Ich war selbst überrascht.
    »Du ziehst aus?« Jutta sah mich verwundert an. Anscheinend hatte sie mit allem gerechnet, nur nicht mit einer so radikalen Entscheidung. Glaubte sie etwa, dass ich zu einem eigenständigen Leben ohne sie nicht in der Lage war?
    »Ja«, erklärte ich unbeirrt, ich durfte ihr meine Unsicherheit auf keinen Fall zeigen, »mein Entschluss steht fest, ich ziehe noch heute aus.«
    Jutta grinste. »Und wohin willst du bitte schön gehen?«
    Es ärgerte mich, dass sie meine Entscheidung offenbar nicht wirklich ernst nahm.
    »Ich nehme eine Auszeit und ziehe ins Hotel.«
    »Und dann?«
    »Dann sehen wir weiter.«
    »Wenn du meinst, dass das der richtige Weg ist.«
    Ich hätte sie gerne gefragt, was aus ihrer Sicht der richtige Weg gewesen wäre, wollte meine Entschlossenheit dadurch aber nicht wieder gefährden.
    Ich stand auf. Ich stand derart entschlossen auf, dass mir angst und bange wurde. Ich wusste nicht mal, welches Hotel für mich überhaupt infrage kam.
    Oben in meinem Zimmer packte ich meine Sachen zusammen. Ich war erstaunt, wie wenig ich benötigte. Die Tasche war am Ende nicht mal ganz gefüllt. Eigentlich braucht der Mensch nicht viel mehr als eine Hose, ein Hemd und eine Zahnbürste. Der Gedanke erschütterte mich.
    Ohne mich zu verabschieden verließ ich das Haus und ging Richtung Bahnhof. Ich hatte eigentlich keine Lust, ins Hotel zu ziehen. Allein die Vorstellung, dass ich von einem Hotelmitarbeiter gefragt werden könnte, ob ich eine schöne Reise gehabt hätte, bescherte mir Schweißausbrüche. Ich wäre nicht in der Lage gewesen zu lügen.
    Am S-Bahnhof Grunewald sah ich den schmalen Pfad an den Gleisen, der zu Zoes Piratenhütte führte. Auf einmal hatte ich eine großartige Idee. Ich würde mich einfach so lange dort einquartieren, bis ich wusste, wie ich weiter vorgehen wollte.
    Die Hüttentür war nicht verriegelt. Vorsichtig trat ich ein und blickte mich um. Das Chaos im Innern hatte etwas unerwartet Befreiendes. Ich fühlte mich nicht verpflichtet, Ordnung zu schaffen, und konnte mich ausschließlich auf mich selbst konzentrieren. Einen Moment stellte ich mir sogar vor, wie es wäre, hier ganz einzuziehen. Den Rest meines Lebens ohne Verpflichtungen in dieser Hütte zu leben. Ich würde einen Gemüsegarten anlegen, Holz hacken und dabei immer wunderlicher werden. Friedliche Selbstgespräche führen anstelle der nicht enden wollende Diskussionen mit meiner Frau. Es kam mir auf einmal so vor, als hätte ich jahrzehntelang unter nicht artgerechten Bedingungen gelebt. Ein Mann gehörte nun mal nicht in die unmittelbare Umgebung einer Frau. Das Konzept der Ehe war ein gewaltiger Irrtum. Bislang hatte sich jedoch niemand getraut, diesen Irrtum aufzuklären, weil es viel bequemer war, in einem Irrtum zu leben, als sich die raue Luft der Wahrheit ins Gesicht wehen zu lassen.
    Ich setzte mich aufs Sofa und legte die Füße auf den Tisch. Dabei stieß ich gegen die Schatulle, aus der mir Zoe einst den Piratenring überreicht hatte. Ich trug ihn noch immer. Er war jetzt ein Zeichen meiner Unabhängigkeit. Allerdings musste ich zugeben, dass meine Unabhängigkeit ohne Jutta nicht mehr viel wert war. Es war einfach, unabhängig zu sein, wenn man von niemandem gebraucht wurde.
    Irgendwann musste ich eingenickt sein, denn als ich die Augen wieder öffnete, bemerkte ich vor mir eine dunkle Gestalt. Vor Schreck zog ich die Beine vom Tisch, riss dabei die Schatulle mit, wobei sich der Inhalt über den Boden verteilte. Erst jetzt sah ich, dass es Zoe war.
    »Ich habe noch was vergessen«, sagte sie, ohne mich nach dem Grund meines Aufenthaltes zu fragen. Es schien ihr unangenehm zu sein, mir zu begegnen, als hätte sie diesen Teil ihres Lebens ein für alle Mal abgeschlossen.
    Sie suchte nach irgendetwas, das ihr offenbar sehr wichtig war.
    »Wenn ich dir suchen helfen soll, sagst du Bescheid, ja?«, sagte ich, nur um etwas zu sagen.
    Zoe nickte, sah mich aber nicht an.
    In diesem Moment fiel mir ein, dass sie mir noch einen Piratentaler fürs erfolgreiche Erschrecken schuldete.
    »Wann bekomme ich eigentlich meinen Taler? Du erinnerst dich doch, oder?«
    Sie hörte kurz auf zu suchen und blickte zu Boden.
    »Hier«, sagte sie und wies auf den verstreuten Inhalt der Schatulle, »du kannst so viele Taler haben, wie du willst.«
    Ich bemerkte ein gutes Dutzend Schokoladentaler, ein Teil davon stammte vermutlich noch von mir. Ich hob einen auf und steckte ihn in meine

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