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Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)

Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)

Titel: Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Beldt
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marschierte ich auf den Mann zu und stieß ihn mit ungewohnter Wucht in den See. In diesem Moment drehte sich die Frau zu mir um. Es war die Bundesjustizministerin. Sie sah mich ängstlich an, als befürchtete sie, dass sie als Nächste an der Reihe war. Einen Moment lag ihr Schicksal in meinen Händen. Ich merkte, dass selbst ich in der Lage war, andere in Schrecken zu versetzen. Es tat mir gut zu sehen, dass meine Wirkung mitunter durchaus etwas Furchteinflößendes hatte. Dass mir so etwas allerdings nur bei reifen Damen mit untersetzter Figur zu gelingen schien, machte mich nachdenklich. Ich drehte mich rasch um und eilte über den Steg zurück ins Hotel, ehe meine furchteinflößende Wirkung wieder verpuffte.

21
    »Was hast du dir bloß dabei gedacht, Staatssekretär Piepenbrock in den See zu werfen?«, fragte mich Jutta, als wir wieder zu Hause waren.
    Ich saß auf dem Sofa, während Jutta vor mir angespannt hin und her lief. Es kam mir vor wie im Theater. Ich war der Zuschauer bei einem Stück, bei dem meine Frau sowohl die Regisseurin als auch die Hauptdarstellerin war.
    »Weißt du eigentlich, was das für mich bedeutet?«
    Ich bemühte mich, ihre Fragen nacheinander abzuarbeiten.
    »Nichts«, antwortete ich so ehrlich, wie es mir eben möglich war.
    »Nichts?« Meine Frau blieb stehen und blickte mich böse an. »Natürlich wird das etwas für mich bedeuten!« Wie sie so dastand, ihren Oberkörper nach vorne gebeugt, erinnerte sie mich an einen Adler auf Beuteflug.
    »Ich meinte, dass ich mir nichts dabei gedacht habe«, stellte ich klar.
    »Du hast den Staatssekretär also nur mal so in den See geworfen, oder wie darf ich das verstehen?«
    »Es war dunkel«, sagte ich, »ich habe sie ja gar nicht richtig gesehen.«
    »Du hast ihn also nur auf Verdacht in den See geworfen?«
    »Ich wollte ihn überhaupt nicht in den See stoßen, es war ein Versehen.«
    »Ach so, ein Versehen.« Jutta stutzte. Die veränderte Sachlage brachte sie allerdings nur kurz aus dem Konzept. »Und wen wolltest du eigentlich in den See werfen?«
    Ich starrte hinaus auf den Garten. Mir war nicht mehr klar, wie es überhaupt dazu hatte kommen können. Bis vor wenigen Wochen war ich ein glücklicher Mensch gewesen, der Blumen liebte und gerne den Haushalt führte. Und auf einmal sah ich mich mit dem Vorwurf konfrontiert, Menschen nach Mitternacht in kalte brandenburgische Seen zu stoßen. Es war vollkommen verrückt. Ich verstand mich selbst nicht mehr. War die Ehe trotz aller Errungenschaften am Ende vielleicht doch immer noch ein Kampfplatz, auf dem es einen Sieger und einen Verlierer gab? Und es schien jetzt keinen Zweifel mehr zu geben, wer in unserer Ehe der Verlierer war.
    »Ich habe gedacht, dass du und Gunnar … «
    Jutta blickte mich fassungslos an. »Du wolltest Gunnar in den See werfen?« Dabei hielt sie ihren Mund so weit geöffnet, dass mir ihr Gesicht einen Moment lang merkwürdig fremd vorkam. Es war erstaunlich, wie schnell einem ein vertrauter Mensch fremd werden konnte.
    »Ich hatte es nicht geplant.«
    »Er hätte ertrinken können!«
    Ich schluckte. Daran hatte ich gar nicht gedacht. Ich fing an zu schwitzen. Totschlag aus niederen Motiven. Ich hätte im Gefängnis landen können.
    »Es war nur so … «
    »So geht es wirklich nicht weiter«, unterbrach mich Jutta und verschränkte ihre Arme.
    »Nein«, sagte ich, »auf gar keinen Fall.«
    »Und was schlägst du vor?«
    Wir schwiegen.
    Über die Zeit nach unserer Ehe hatte ich mir noch gar keine Gedanken gemacht. Im Grunde wollte ich mir darüber auch gar keine Gedanken machen. Denn was sollte ich danach tun? Ich hatte mich seit Jahren aus dem Berufsleben verabschiedet, und in meinem Alter würde ich lediglich Hilfsjobs angeboten bekommen. Die Vorstellung, im Supermarkt hinter der Kasse zu sitzen, flößte mir Angst ein. Und wenn ich ehrlich war, hatte ich auch keine Ahnung, was ich sonst mit meinem Leben anfangen sollte. Es war erschütternd festzustellen, dass ich eigentlich zu nichts zu gebrauchen war. Und ohne eine sinnvolle Aufgabe würde ich aus dem Blickfeld meiner Umwelt bald völlig verschwinden. Ich wäre praktisch nicht mehr vorhanden. Ein Mann, der nichts tat, der keinerlei Arbeit nachging, nicht einmal im Haushalt arbeitete oder den Garten pflegte, wäre quasi unsichtbar.
    Langsam wurde mir klar, dass ich keine andere Wahl hatte. Ich wollte meine Ehe zwar retten, aber nicht nach den Spielregeln meiner Frau.
    »Ich ziehe aus.«
    Er war einfach so aus mir

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