Wollmann widersetzt sich: Roman (German Edition)
nette Dekoration, auf die man genauso gut verzichten konnte. Ich erkannte, dass ich ihr eigentlich nichts zu bieten hatte, weder einen herausragenden Intellekt noch ein ansprechendes Äußeres. Ich war lediglich der Farbtupfer im Hintergrund, ich war das warme Kissen, an das sie sich lehnen konnte, wenn sie abends müde nach Hause kam. Und noch etwas wurde mir jetzt klar: Alle meine Anstrengungen der letzten Wochen waren völlig umsonst gewesen. Ich hatte mich die ganze Zeit zum Deppen gemacht und es nicht einmal gemerkt. Plötzlich war ich so verärgert, dass ich aufstehen und das Hotel verlassen wollte, als ich einen kräftigen Schlag auf den Rücken bekam.
»Mensch, Bernd!«
Es war niemand anders als Gunnar, der mich zu meiner Überraschung freudig begrüßte.
»Sie kennen den Herrn?«, fragte der Hoteldirektor, worauf Gunnar den Arm um mich legte und fest an sich drückte, als wären wir dicke Freunde.
»Das ist der Mann von Frau Wollmann«, er deutete auf meine Frau in der Lobby, »das geht schon in Ordnung.«
Irgendwie war ich doch froh, einen Mitstreiter gefunden zu haben, obwohl ich mich nur ungern als Mann meiner Frau vorstellen ließ, als hätte ich allein keine Daseinsberechtigung.
»Darauf müssen wir einen trinken!«, erklärte Gunnar, ohne mich nach dem Grund meiner Anwesenheit zu befragen. Womöglich besaß er doch mehr Feingefühl, als ich ihm zugetraut hatte. Er zog mich vom Hocker zu den anderen, die bereits heftig am Trinken waren.
Mein ganzer Plan drohte sich unter Gunnars herzlicher Begrüßung in Luft aufzulösen. Aus lauter Verzweiflung griff ich zur Nussschale und aß hektisch eine Handvoll Erdnüsse.
»Finde ich super, dass du gekommen bist«, meinte Gunnar ehrlich begeistert. Seine Freundlichkeit wurde mir langsam unheimlich. »Wenigstens ein normaler Mensch zwischen all diesen Angebern«, flüsterte er mir zu und machte dabei ein derart angewidertes Gesicht, dass ich es ihm sofort abnahm. Dass sich ausgerechnet Gunnar an diesen Angebern störte, erstaunte mich. Und ich sollte aus dem Staunen so schnell nicht wieder rauskommen. Denn es stellte sich bald heraus, dass Gunnar keineswegs der Mittelpunkt dieser Runde war. Eigentlich saßen lauter Mittelpunkte nebeneinander, und jeder versuchte verzweifelt, noch weiter in den Mittelpunkt zu rücken. Doch je mehr und je lauter sie redeten, desto deutlicher wurde, dass sie nur heiße Luft produzierten. Jeder von ihnen war ein kleiner Heißluftballon, und sie saßen in ihren lächerlich kleinen Körben und warfen dauernd neue Sprüche ab in der Hoffnung, noch höher zu steigen als der andere.
Doch diesmal schien es ihnen nicht so richtig zu gelingen, und das lag offensichtlich an mir. Während sie von Bier zu Bier munterer wurden, saß ich breit in der Mitte und war unfähig, mich an der ausgelassenen Stimmung zu beteiligen. Das hatte ich mir alles ganz anders vorgestellt. Ich wusste nicht, ob es am Bier lag, das mich inzwischen dumpf und träge gemacht hatte, oder daran, dass mir einfach keine passenden Themen einfielen, mit denen ich von mir reden machen konnte. Jedenfalls merkte ich, wie sich die allgemeine Aufmerksamkeit plötzlich mir zuwandte.
»Was machst du eigentlich hier?«, fragte der junge Mann neben mir. Er hatte sich bereits den Schlips vom Hals gezogen und blickte mich an, als wäre ich ein exotischer Vogel, der sich in die menschliche Zivilisation verirrt hatte und nicht wusste, wie er sich hier verhalten sollte.
Ich konnte ihm die Frage nicht beantworten, weil ich es im Grunde selbst nicht wusste.
»Tolles Hemd hat er an«, meinte ein anderer gegenüber und prostete mir zu.
»Treten Sie hier später noch auf?«, fragte wieder ein anderer.
Vielleicht erwartete man einen Unterhaltungskünstler, der dem grauen Konferenzalltag eine farbige Note verlieh. Auch diese Frage konnte ich leider nicht beantworten.
»Das ist doch Bernd Wollmann«, sprang Gunnar mir bei, als wäre ich in bestimmten Kreisen eine anerkannte Größe. Ich nickte unsicher in die Runde.
Auf einmal ging dem jungen Mann neben mir ein Licht auf.
» Der Wollmann?«, fragte er sichtlich beeindruckt.
Einen Moment fühlte ich mich wirklich wie etwas Besonderes. Ich war der Wollmann, der Mann, dem man weltweit zujubelte, weil er unerschrocken seinen eigenen Weg ging. Eine Ikone der Männerbewegung, ein Vorbild aller verunsicherten Männer.
»Dann bist du doch Juttas Mann, oder?«
Sekundenlang herrschte betretenes Schweigen. Am liebsten wäre ich wortlos
Weitere Kostenlose Bücher