Wollust - Roman
dieses Suchtpotential haben kann?«
»Es ist keine Sucht, sondern eine Vorliebe.«
»Und so geht es mit der Verleugnung munter weiter, bis es zur Gewohnheit geworden ist«, sagte Marge. »Vielleicht sollten wir eine Kaffee-Entzugsklinik eröffnen, Jungs. Wer von uns hatte noch keine Koffein-Kopfschmerzen? Wenn Leute bereit sind, für etwas, das vierzig Cent wert ist, fünf Scheine hinzublättern, dann verkaufen wir ihnen die Idee mit der Begründung, dass sie eine Sucht haben, die es zu überwinden gilt. Das gehört heutzutage zur modernen Philosophie: Wie schiebe ich Verantwortung ab. Immer schön den Ruhm einheimsen, aber nie persönlich für etwas haften.«
24
Decker hatte die Füße auf seinen Schreibtisch gelegt. Die Tür zu seinem Büro war geschlossen, und es war einer der wenigen Momente, in denen er sich eine Verschnaufpause gönnte. Nach seinem emotionsgeladenen Anruf bei Kathy Blanc musste er sich erst wieder sammeln. Der Wunsch, einen Mordfall zu lösen, war wie ein anhaltender Juckreiz, an dem man sich nicht kratzen konnte. Jetzt hing er mit Eliza Slaughter am Telefon und verstand kaum ein Wort von dem, was sie sagte.
»Wo sind Sie? Es rauscht in der Leitung.«
»Ich bin … das Feld. Bleiben Sie dran. Ich gehe … mein Auto. Ich rufe … zurück.«
Sie unterbrach die Verbindung. Während Decker auf ihren Anruf wartete, ging er seine Telefonliste durch. Er hatte fast den ganzen Vormittag damit verbracht, mit denjenigen, die vom Hotelpersonal übrig waren, zu reden. Befragungen übers Telefon waren schwierig, und einige der Personen mussten eventuell noch mal persönlich aufgesucht werden. Außerdem hatte er ein kurzes Gespräch mit dem Pathologen geführt. Adrianna Blancs Autopsiebericht zeigte, dass ihr Erstickungstod durch Erhängen hervorgerufen sein musste. Es gab Flecken und Hautabschürfungen, die bewiesen, dass der Körper geschleppt oder gezogen worden war.
Das Telefon klingelte, und Decker nahm den Anruf entgegen.
»Besser so?«, fragte Eliza.
»Viel besser. Was gibt’s Neues?«
»Zeit für einen Lagebericht. Ich habe heute die meiste Zeit damit zugebracht, Garagen, Werkstätten, legale und illegale, sowie Schrottplätze in der Gegend zu überprüfen. Da man für legale Werkstätten und Lagerhallen Schlüssel und Einwilligungen der Besitzer braucht, habe ich mit dem begonnen, was offen zugänglich ist – den Schrottplätzen. Niemand scheint sich daran zu stören, wenn man sich durch stapelweise verschrottete Autos wühlt. Ich bin bei Nummer drei. Sie befinden sich alle im Valley.«
»East und North Valley. Ich habe mal in Foothill gearbeitet.«
»Der hier liegt in Ihrem ehemaligen Revier. Sagt Ihnen Tully’s Scrap Metal noch etwas?«
»Geht von der Rinaldi Street ab.«
»Sie sollten herkommen. Da ist mir was ins Auge gestochen.«
»Etwas wie ein Mercedes 550 E, Baujahr 2009?«
»Zumindest glaube ich das, obwohl sich die Marke schwer bestimmen lässt, wenn das Gefährt ausgeschlachtet ist. Die Farbe ist Silber.«
»Wann wurde er vorbeigebracht?«
»Der Knabe, der hier gerade Dienst tut, weiß es nicht genau. Er glaubt, vor ein paar Tagen. Im Moment versuchen wir, den Eigentümer des Areals ausfindig zu machen. Er hat die Unterlagen.«
»Ich bin ungefähr eine halbe Stunde von euch entfernt.«
»Dann bis gleich.« Eliza zögerte. »Terry ist im West Valley zur Schule gegangen, oder?«
»Korrekt.«
»Also besteht die Möglichkeit, dass sie den Laden hier kennt.«
»Wer weiß.«
»Sie klingen nicht überzeugt.«
»Meiner Meinung nach ist es viel wichtiger, dass Chris Donatti – damals Chris Whitman – im Valley zur Schule ging. Und er fuhr als Teenager ein cooles Muskelauto. Terry dagegen ging zu Fuß oder nahm den Bus.«
Cappuccino hatte eine besänftigende Wirkung auf Oliver. Vielleicht lag es an der Milch, denn Scott schlürfte sie mit nahezu orgiastischer Verzückung. Er hatte nicht nur gelernt, wie man die Espressomaschine bediente, sondern beherrschte nun endlich auch die Kunst des Milchschäumens. Marge und Scott waren auf dem Weg ins St.-Tim-Krankenhaus: Marge fuhr, Scott saß daneben.
»Ich mutiere langsam zu einem weibischen Kerl«, sagte Oliver.
»Das Trinken von Cappuccino macht dich nicht weibisch. Italiener trinken auch andauernd Cappuccino und Latte macchiato.« Marge grinste. »Nur trinken sie die vormittags. Nachmittags trinken sie Espresso, denn Milchkaffees sind Getränke fürs Frühstück.«
»Sind wir hier in Italien,
Weitere Kostenlose Bücher