Wollust - Roman
Zeitraum sah man hauptsächlich dieselben Menschen in denselben Autos, obwohl verschiedene Ambulanzen aus vielen verschiedenen Orten anrückten.
Keine Leichensäcke, aber Marge entdeckte trotzdem etwas Interessantes. Um 11 Uhr 13 fuhr ein Zivilfahrzeug rückwärts an die Rampe heran und verschwand dann aus dem Blickfeld der Kamera. Sie sah sich noch zwei, drei weitere Minuten an, und dann bekam sie große Augen.
»Haltet das Gerät an!«
»Was ist los?«, fragte Oliver.
Marge antwortete nicht. »Ein paar Bilder zurück, bitte.«
»Was hast du gesehen, Marge?«, insistierte Oliver.
»Ich bin mir nicht sicher, und deshalb will ich es noch einmal abspielen.«
Das Band wurde zurückgespult, die Schwarz-Weiß-Gestalten hüpften und zuckten von einem Bild ins nächste.
»Halt!« Marge deutete auf eine schmale, einsam herumstehende Figur in der Nähe der Rampe. »Können Sie dieses Bild vergrößern?«
Wortlos stand Peter auf und übernahm die Kontrolle über den Monitor. Die kleine Figur wurde größer und größer und das Bild unschärfer.
»Kommt sie dir bekannt vor, Scott?«
»Nein. Ich sehe nur verschwommene Konturen.«
»Verkleinern Sie es bitte noch mal, Peter.« Der stumme Sicherheitsmann ging wieder ein paar Stufen zurück.
Oliver starrte die Figur an. »Keine Idee.«
»Achte nicht auf das Gesicht. Schau dir die OP-Kleidung an, und dann konzentriere dich auf die Größe und die Statur.«
»Mandy Kowalski.«
»Könnte stimmen.«
»Vielleicht.«
»Was treibt sie da draußen? Warum beobachtet sie, wie die Bahren aus den Krankenwagen ein- und ausgeladen werden?«
»Es gibt nur einen Weg, das herauszufinden.« Oliver erhob sich. »Wir suchen sie und fragen sie selbst.«
25
Tully’s Scrap gehörte seit fast vierzig Jahren zum Inventar des West Valley. Momentan lagen seine Geschicke in der Hand von Caleb »Audi« Sayd, achtundzwanzig Jahre alt, dessen Vorfahren möglicherweise aus Ägypten gekommen waren, der aber heute ein lupenreines kalifornisches Näseln zustandebrachte. Er maß gute eins achtzig, brachte achtzig Kilo auf die Waage, hatte schwarze Haare und dunkle Augen. Seine Uniform bestand aus tiefergelegten Jeans, einem weißen T-Shirt und Kampfstiefeln. Er erwartete sie mit verschränkten Armen, die Hände unter die Achseln geklemmt. Als Decker ihm ein Foto von Terry McLaughlin zeigte, schüttelte er den Kopf.
»Noch nie gesehen.«
»Sind Sie ganz sicher?«, fragte Eliza Slaughter.
Audi schlug gegen das Foto. »So ein Gesicht … Wenn ich sie gesehen hätte, würde ich mich an sie erinnern.«
Sie standen in einem Meer von verschrotteten, ausgeschlachteten und zusammengepressten Autos. Die meisten davon hatten schon so manches Jahr keine Straße mehr aus der Nähe gesehen. Das Stück Metall, für das sie sich interessierten, war ein ausgeschlachtetes und komprimiertes silbernes Gebilde, das Hinweise auf ein früheres Leben als Mercedes 550 E gab. Es war Eliza ins Gesicht gesprungen wie ein Frosch auf Droge. Decker inspizierte das Stück Metall. »Was können Sie mir darüber sagen? So ganz ohne Roststellen? Es muss neu gewesen sein.«
»Das Auto war neu«, bestätigte Audi. »Darum klingelten bei mir die Glocken. Normalerweise verschrottet man kein Auto in gutem Zustand.«
»Also waren Sie misstrauisch«, sagte Eliza.
»Na, logisch war ich misstrauisch. Es wurde nicht von einem meiner üblichen Lieferanten hergebracht.«
»Wissen Sie, wer es abgeliefert hat?«
»Den Kerl habe ich noch nie vorher gesehen. Aber er hatte den pinkfarbenen Zettel, und den habe ich mit der Zulassungsplakette verglichen, bevor ich ihm ein Angebot gemacht habe. Alles völlig korrekt.«
»Haben Sie einen Namen?«, fragte Decker.
»Der Papierkram liegt in meinem Büro.« Audi zeigte auf einen Wohnwagen. »Nachname war Jones.«
»Vorname?«
»Kann ich mich nicht dran erinnern. Keine Ahnung, ob er den überhaupt gesagt hat.«
»Wie sah er aus?«, fragte Eliza.
»Dunkle Haut. Dunkles glattes Haar, braune Augen. Kleiner und dünner als ich.«
»Hispanisch?«
»Möglich. Er hatte einen leichten Akzent, aber ich konnte ihn nicht einordnen.«
»Aus dem Nahen Osten?«
»Nein, Ma’am, das hätte ich erkannt.«
»Wann hat er das Auto hergebracht?«
»Äh, letzten Samstag oder Sonntag. Das Datum habe ich aufgeschrieben.«
»Samstag oder Sonntag ?«, fragte Decker nach.
»Ja, irgendwann am Wochenende.«
Das war eindeutig ein Querschläger in Deckers Gedankenkonstrukt. Jetzt fragte er sich, ob er
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