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Wollust - Roman

Wollust - Roman

Titel: Wollust - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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durch.
    Was er schließlich hörte, war Hannah, die ihn anbrüllte:
    Stopp, stopp, stopp !
    Und wie ein Hund, der bis zur Alarmstufe Rot hochgepuscht worden war, lösten diese Schreie seine mechanische Drosselung aus und lenkten seine Aufmerksamkeit wieder in seine gegenwärtige Situation. Augenblicklich spürte er einen pochenden Schmerz in seiner linken Hand und verfluchte seine Dummheit. Er ließ das Hemd des Angreifers los; der Mann kroch auf allen vieren davon, rappelte sich hoch und rannte weg.
    Gabes Hand war geprellt und feucht. Er wackelte mit den Fingern herum – gebrochen hatte er sich nichts.
    Zumindest diesmal war Gott ein gütiges Wesen.

    Hannah kreischte immer noch. Er bemühte sich, mit seiner Stimme gegen ihre Hysterie anzukommen. »Alles ist gut, es ist ja gut.«
    »Bist du verrückt?«, schrie sie ihn an.
    Er war verwirrt. Seiner Meinung nach hatte er gerade genau richtig gehandelt. Warum schrie sie ihn weiterhin an? »Er hat mich mit einer Waffe bedroht.«
    »Er hatte eine Waffe? Eine Waffe? Du hättest draufgehen können!«
    »Bin ich aber nicht, okay?« Er hielt sich immer noch die Hand. Dafür, dass nichts gebrochen war, tat es verdammt weh. »Mir geht’s gut.«
    »Dir geht es gut?«, schrie sie. »Dir geht es gut ? Dir geht’s überhaupt nicht gut! Du bist verrückt!«
    »Sollte ich etwa zulassen, dass dieser Wichser mich ausraubt?«
    »Ganz genau. Warum hast du ihm die verdammte Tasche nicht einfach gegeben?«
    »Weil ich dazu keinen Bock hatte!«
    Die Entschuldigung klang sogar in seinen Ohren lahm. Und einen winzigen Augenblick lang dachte er daran, sich ihr anzuvertrauen. Dass er gestern Nachmittag seinen Vater getroffen hatte, dass Chris ihm diesen ganzen Scheiß ausgehändigt hatte – seine Kontounterlagen, seine Scheckhefte, seine Vermögensunterlagen, seinen Pass –, und dass er vergessen hatte, sie aus der Tasche zu nehmen, weil er ein Idiot war. Und weil er so ein Idiot gewesen war, hätte er dann bei Chris antanzen und ihm sagen müssen, dass irgendein Abschaum ihn ausgeraubt hatte. Und danach wäre es ihm unmöglich gewesen, seinem Vater je wieder in die Augen zu sehen. Sterben wäre besser, als sich dieser Verachtung zu stellen. All das wollte er ihr erzählen. Aber er konnte sich ihr nicht anvertrauen, ohne dabei seinen Vater zu verraten.

    Er musste einfach noch ein paar Tage abwarten.
    In seinem Leben war ein verdammtes Versprechen ein verdammtes Versprechen.
    »Du hattest keinen Bock ?«, brüllte Hannah ihn immer noch an. »Und dafür nimmst du in Kauf zu sterben? «
    »Das sind meine Sachen. Warum sollte ich sie ihm geben?«
    »Was war denn da so Wertvolles drin, dass du dein Leben dafür riskierst?«
    »Nichts Besonderes, nur Notenblätter.«
    »Du bist völlig durchgeknallt«, sagte sie mit Abscheu in der Stimme.
    »Du schreist hier den Falschen an!« Ihre Brüllerei machte ihn langsam, aber sicher wütend. »Ich hab niemanden überfallen, er war’s. Und wenn ich’s riskieren will, mich abknallen zu lassen, dann ist das meine Sache!«
    »Ha!« Sie atmete tief durch. »Du bist wirklich ernsthaft krank im Kopf.«
    »Hör auf, mich verrückt zu nennen! Du solltest nicht auf mich wütend sein!«
    »Ganz im Gegenteil, du bist genau der richtige Adressat für meine Wut. Du hast dich wegen einer dämlichen Tasche voller Notenblätter fast abknallen lassen. Was, wenn er versucht hätte, mich zu erschießen?«
    »Darum habe ich ihn ja davon abgehalten  …«
    »Und als Krönung des Ganzen hast du dir vielleicht auch noch deine Hände ruiniert. Wie bescheuert ist das denn!«
    »Weißt du was, in meinem Leben passiert schon genug Scheiße, ohne dass du mir erzählst, wie bescheuert ich bin, okay?« Er winkte ab. »Was soll das Ganze! Mir reicht’s!«
    Er stürmte im Dunkeln die Straße hinunter, ohne zu wissen, wo er war und in welche Richtung er ging. Er hörte, wie Hannah hinter ihm herlief. Sie hielt ihn am Arm fest.
    »Lass uns einfach nach Hause fahren.«

    »Du fährst nach Hause, Hannah.« Er ging immer noch weiter. »Weil du ein Zuhause hast. Ich bin zurzeit obdachlos, schon vergessen?«
    »Gabe, warte. Warte!« Sie zerrte an seinem Arm. »Bleib stehen!«
    Jetzt schluchzte sie.
    Er blieb stehen und stöhnte.
    Noch ein lächerliches, schluchzendes weibliches Wesen, das sich nicht im Griff hatte. Wann immer seine Mutter die Verzweiflung packte, drehte sie den Wasserhahn auf. Seine Tante war genauso eine Irre, die ständig wegen eingebildeter oder wirklicher Sachen

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