Women of Primrose Creek 02 - Zeit der Liebe, Zeit des Gluecks
wusste sie wenigstens, woher sie stammte. Und sie wusste, dass sie Skyes Zwillingsschwester war. Dieses Wissen war wundervoll, und zugleich kam es ihr vor, als hätte sie es schon immer gewusst.
»Wie war ihr Name?«, fragte Skye.
Caney seufzte. »Maureen«, sagte sie sehr leise. »Ich kannte sie nicht lange. Euer Großvater schickte mich mit dem Auftrag nach New Orleans, mich um sie zu kümmern. Ich sollte sie und ihr Baby nach der Geburt nach Virginia heimbringen - niemand dachte im Traum daran, dass es Zwillinge werden würden -, doch dann starb sie. Durch Mr. Thayer ist irgendetwas in ihr zerbrochen. Sie lebte noch einen Tag, und dann schloss sie einfach die Augen und starb. Das Traurigste, was ich jemals erlebt habe.«
Megan und Skye schwiegen und stellten sich die Szene vor. Skye hatte ein Kind geboren, und Megan konnte sich vorstellen, wie eine Geburt sein musste. Sie verstanden gut genug, was Maureen durchgemacht haben musste.
»Wer von uns wurde zuerst geboren?«, fragte Megan.
»Wer hat uns den Namen gegeben?«, wollte Skye fast gleichzeitig wissen, sodass sich ihre Worte mit denen Megans vermischten.
Caneys Lächeln war traurig. »Miss Skye, du bist als Erste geboren worden. Fünf Minuten später«, fuhr sie fort und wandte sich Megan zu, »kamst du zur Welt. Eure Mama hat euch die Namen gegeben - ich nehme an, sie hatte sie sich schon lange zuvor ausgedacht.«
»Und unser Vater?«
»Thayer McQuarry?« Caney machte ärgerlich eine weitere wegwerfende Geste. »Dieser Schuft? Er war zu dieser Zeit im Gefängnis.«
»Im Gefängnis?«, fragte Skye.
»Er hatte sich auf ein weiteres Duell eingelassen«, erklärte Caney. Sie erhob sich und begann wieder Stoff zu schneiden, suchte Zuflucht in der Arbeit, die sie stets getan hatte. »Tötete den Sohn eines Senators. Einen Monat später hängte man Thayer auf.«
Megan schlug eine Hand vor den Mund.
»Ich wünschte, ich hätte niemals gefragt«, murmelte Skye, und ihr Blick war gequält.
Caneys Lächeln wirkte noch strahlender, weil es völlig unerwartet war. »Nun, das ist das Dumme bei einer McQuarry. Sie stellt einfach weiter Fragen, bis sie die Wahrheit herausfindet, auch wenn es besser wäre, die Antworten nicht zu wissen.«
Weder Megan noch Skye versuchten auch nur, dies abzustreiten. Ihr Großvater hatte sie fast alles gelehrt, was sie brauchten, um im Leben zurechtzukommen - nur nicht das Aufgeben.
5
»Webb? Bist du das?«
Webb, der an der Theke in Virginia Citys berüchtigtem Bücket of Blood Saloon stand, blickte von dem Glas Whisky auf, das er noch nicht angerührt hatte, und starrte erstaunt in den schmierigen Spiegel, der von Flaschen umgeben war. Er wandte sich um und sah sich seinem Bruder Jesse gegenüber. Vor sieben Jahren, als Webb ihn zum letzten Mal gesehen hatte, war Jesse gerade sechzehn gewesen, unreif und schlaksig, doch jetzt war er ein erwachsener Mann. In seinen blauen Augen war ein hartes Glitzern, das Webb besorgt machte, doch der tief geschnallte .45er an der Hüfte seines jüngeren Bruders beunruhigte ihn viel mehr.
»Was, zur Hölle, treibst du hier?«, fragte er.
Jesses Adamsapfel hüpfte auf und ab und beruhigte sich dann wieder. Jesse trat neben seinen Bruder und stand Schulter an Schulter mit Webb, musterte ihre Spiegelbilder in dem großen Spiegel. Abgesehen von den zehn Jahren, die zwischen ihnen lagen - obendrein ereignisreiche Jahre -, sahen sie sich sehr ähnlich. »Ich könnte dir die gleiche Frage stellen«, erwiderte Jesse schließlich.
»Ich versuche, einige Kuhtreiber anzuheuern«, sagte Webb und fügte hinzu, als Jesse nichts sagte: »Wie geht's Pa?« Jede Erwähnung seiner Familie war zutiefst persönlich für Webb; er hatte nie darüber in Primrose Creek gesprochen, obwohl er den Ort als seine Heimat betrachtete. Er brauchte sich keine Sorgen zu machen, dass jemand mithörte. Im Bücket of Blood war es laut. Selbst mitten am Tag war der Saloon von blechernem Pianogeklimper, dem Klicken der Billardkugeln, den lautstarken Wortgefechten und dem trunkenen Geschrei seiner Gäste erfüllt.
Jesse nickte dem Mann hinter der Bar zu, und ein Glas wurde zu ihm hingeschoben. Er schenkte sich aus Webbs Flasche ein, prostete Webb spöttisch zu und trank. »Pa? Nun, der ist bösartiger und verkommener denn je«, sagte er.
Webb schloss die Augen. Bösartig war ein passendes Wort, um den alten Mann zu beschreiben; ein Grizzly mit der Schnauze voller Wespen war im Vergleich dazu freundlich.
»Hat er nie ein
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