Women of the Otherworld 02: Rückkehr der Wölfin
dem Anfall von gestern Abend hatten sie Bauer in meine Nachbarzelle gesteckt. Der letzte Rest Hoffnung in meinen Fluchtplan zerstob. Jetzt war Bauer eine Gefangene, ebenso wie ich. Sie konnte mir keinen Schritt weiterhelfen. Schlimmer noch, ich hatte jetzt einen halb verrückten, Menschen fressenden Werwolf in der Nachbarzelle und ein Loch in der Wand, die uns trennte. War das Winsloes Idee? War die Folter von gestern Abend noch nicht genug gewesen? Vermutlich würde es niemals genug sein. Solange ich hier in seinem Labor war, würde Winsloe neue Methoden finden mich zu quälen. Warum? Weil er es konnte.
Ich wäre am liebsten in mein Versteck zurückgekrochen und dort schlafen gegangen. Geschlafen hätte ich natürlich nicht, aber ich könnte die Augen schließen, den ganzen Alptraum verdrängen, in Gedanken eine schöne Fantasiewelt beschwören und in ihr leben, bis irgendwer mich entweder rettete oder umbrachte – was eben als Erstes passierte.
Stattdessen schleppte ich mich mit großer Anstrengung bis auf mein Bett und sah mich im Raum um. Bei der Wandlung waren meine Kleider in Fetzen gegangen. So viel zum Thema Rebellion in Garderobenfragen. Ich stieß den Atem aus. Keine Zeit zum Grübeln. Ich würde das Zeug tragen müssen, das sie mir hingelegt hatten. Erster Schritt: Mich vorzeigbar machen. Danach würde ich herausfinden, warum Bauer in der Nachbarzelle war.
Als ich sauber und angezogen aus dem Bad kam, ging ich als Erstes zu dem Loch und hoffte, Bauers Anwesenheit nebenan wäre eine sadistische Sinnestäuschung gewesen. Fehlanzeige. Sie lag zusammengekauert an der Tür, wimmerte und kratzte an der Scheibe wie ein Kätzchen, das in den Regen geraten ist. Sie hätte mir Leid tun können, wenn mein Vorrat an Mitleid nicht gerade erschöpft gewesen wäre.
Ich spürte, dass jemand im Gang war. Gut, vielleicht war es weniger mein Gespür als die Gewissheit, Tess oder Matasumi würden den neuen Werwolf beobachten. Ich fuhr mir mit den Fingern durchs Haar, zog die Bluse glatt und ging zu meiner Einwegspiegelwand hinüber.
»Könnte ich bitte mit jemandem sprechen?«, fragte ich ruhig und deutlich, um mich von der Verrückten nebenan abzuheben.
Sekunden später betraten zwei Wachmänner meine Zelle.
»Könnte jemand mir bitte erklären, warum Ms. Bauer nebenan ist?«, fragte ich.
Sie sahen sich unsicher an. Dann sagte einer: »Dr. Matasumi hatte den Eindruck, es wäre nötig, sie einzuschließen. Aus Gründen der Sicherheit.«
Na so was aber auch. »Das verstehe ich vollkommen. Aber könnt ihr mir sagen, warum sie ausgerechnet in dieser Zelle ist? In der Trennwand ist ein Loch.«
»Ich glaube, das ist ihnen bekannt.«
»Ihnen?«, fragte ich, ganz rundäugige Unschuld.
»Dr. Matasumi und Mr. Winsloe.«
»Ah.« Ich sog leise die Luft ein. Die Zähne taten mir weh von dem zuckersüßen Gehabe. »Es ist ihnen also klar, dass sie Ms. Bauer eine Zelle gegeben haben, von der aus sie in meine kommen kann?«
»Mr. Winsloe war der Ansicht, sie erfülle alle nötigen Sicherheitskriterien.«
Ich bedankte mich mit dem reizendsten Lächeln, das ich zustande brachte, und sie gingen. Ich hatte also Recht gehabt. Es war Winsloes Idee. Stecken wir Bauer in die Zelle neben meiner, lassen das klaffende Loch in der Wand offen und warten ab, was passiert.
Sobald sie weg waren, überprüfte ich das Loch. Ich hatte es fast bis zu der Stahlverstärkung aufgerissen, und es maß nicht einmal dreißig Zentimeter im Quadrat. Die Gefahr war also gering, dass Bauer durchbrechen würde. Wir konnten uns allenfalls verständigen.
Ohne Vorwarnung sprang Bauer auf die Füße und ließ die Fäuste gegen das Glas donnern. »Macht die Tür auf, ihr gottverdammten Arschlöcher! Macht sie auf, oder ich reiße euch eure Scheißherzen raus! Ich bin der große böse Wolf. Ich kann reißen und beißen, und ich zerfetze euch alle!« Ihre Stimme verklang in einem hohen irren Lachen.
Na ja, aber theoretisch konnten wir uns jedenfalls verständigen. Ich suchte auf den Fotos von Clay nach Hinweisen, wann und wo sie aufgenommen worden waren. Der Datumsstempel auf der Rückseite sagte »27. August«. Ich zählte in Gedanken die Tage nach. Das war gestern gewesen. Also entsprach Winsloes Geschichte den Tatsachen – zumindest insofern, als jemand diese Aufnahmen von Clay gestern Morgen gemacht hatte. Ich weigerte mich immer noch, an seinen Tod zu glauben. Von Winsloes Geschichte glaubte ich, dass Clay wirklich mehrere Angehörige des Suchtrupps
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