Women of the Otherworld 02: Rückkehr der Wölfin
energisch in meinen Bagel biss.
Ich nickte mit vollem Mund.
»Meine Familie ist aus Chicago«, sagte sie. »Bauer Papierprodukte. Hast du davon schon gehört?«
»Es klingt irgendwie bekannt«, log ich.
»Altes Geld. Sehr alt.«
Sollte ich jetzt beeindruckt sein? Ich versuchte es mit aufgerissenen Augen und einem Nicken.
»Es ist merkwürdig, weißt du«, sagte sie, während sie sich auf ihrem Stuhl zurücklehnte. »Mit so einem Namen und solchem Geld aufzuwachsen. Nein, nicht merkwürdig für mich selbst. Ich kenne es nicht anders. Aber man sieht sich selbst in den Augen anderer Leute widergespiegelt und stellt fest, dass sie glauben, man hätte sehr viel Glück gehabt. Im Reichtum geboren. Es wird von einem erwartet, dass man glücklich ist, und Gott helfe dir, wenn du’s nicht bist.«
»Glück kann man auch mit Geld nicht kaufen«, sagte ich; das Klischee hinterließ einen bitteren Geschmack auf der Zunge. War es das, worauf sie hinauswollte? Armes reiches Mädchen? Ich bin reich und unglücklich, deshalb kidnappe ich unschuldige Leute – okay, vielleicht nicht ganz unschuldig, aber jedenfalls ahnungslos.
»Aber du bist glücklich«, sagte Bauer. Es war eine Feststellung, keine Frage.
Ich brachte ein halbes Lächeln zustande. »Also, gerade jetzt, wo ich in einer Zelle gefangen gehalten werde, würde ich es nicht unbedingt –«
»Aber im Großen und Ganzen. Bevor dies passiert ist. Du bist zufrieden mit deinem Leben.«
»Kann mich nicht beklagen. Es ist nicht vollkommen. Da ist natürlich auch noch dieser furchtbare Werwolffluch –«
»Aber du betrachtest es nicht wirklich so. Als einen Fluch. Du sagst das, aber du meinst es nicht.« Jetzt starrte sie mich an. Nein, nicht an. In mich hinein. Vorgebeugt, mit flammenden Augen. Hungrig. Ich wich zurück.
»Es gibt Tage, an denen meine ich’s genau so. Glaub mir.« Ich erledigte meinen Bagel. »Die hier sind fantastisch. Echte New Yorker Bagel. Ich nehme nicht an, dass es Nachschub gibt?«
Sie lehnte sich zurück; das Feuer in ihren Augen war erloschen, das höfliche Lächeln wieder an Ort und Stelle. »Ich bin sicher, wir können irgendwas arrangieren.« Sie warf einen Blick auf die Uhr. »Ich sollte dich raufbringen zu Dr. Carmichael wegen der Untersuchung.«
»Ist das ein täglicher Programmpunkt?«
»Oh, nein. Das gestern war einfach ein kurzer Check. Heute kommt die eigentliche Untersuchung.«
Bauer hob die Hand. Die Tür öffnete sich, und zwei Wachleute kamen herein. Dort hatten sie also gesteckt. Ich hatte mir schon Hoffnungen gemacht – vielleicht fühlte Bauer sich mir gegenüber sicher genug, um auf die bewaffnete Eskorte zu verzichten. Offenbar nicht. Ein Anschein von Vertrauen, aber kein echtes Vertrauen dahinter. Oder vielleicht auch nur keine echte Dummheit. Mist.
Ich hatte eine Nachbarin. Als ich aus meiner Zelle trat, sah ich jemanden in dem Raum gegenüber. Eine Frau saß am Tisch, den Rücken zu mir gewandt. Sie sah aus wie … Nein, sie konnte es nicht sein. Irgendjemand hätte mir davon erzählt. Ich hätte es gewusst. Die Frau drehte den Kopf ins Halbprofil. Ruth Winterbourne.
»Wann …?«, fragte ich.
Bauer folgte meinem Blick und lächelte, als hätte ich ein verstecktes Geschenk gefunden. »Sie ist zusammen mit dir hier angekommen. Wir waren an diesem Morgen in Vermont in der Nähe eures Treffens. Als wir gesehen haben, dass du mit den Danvers’ wegfährst, haben Xavier und ich beschlossen, euch zu folgen. Der Rest des Teams ist geblieben. Wir wussten, irgendwann würde irgendjemand allein bleiben. Glücklicherweise war es Ruth. Ein wirklich guter Fang. Natürlich, jeder von ihnen wäre ein guter Fang gewesen. Außer der Nichte vielleicht. Mit einer nicht fertig ausgebildeten Hexe dieses Alters ist nicht viel anzufangen. Savannah ist wieder etwas anderes, wenn man ihre Jugend und die Kräfte ihrer Mutter bedenkt.«
»Wie kommt es, dass ich Ruth gestern nicht gesehen habe?«
»Die Fahrt war ungewöhnlich … schwierig für sie. Ihr Alter. Genau der Aspekt, der sie so wertvoll macht, bedeutet zugleich auch ein Risiko. Wir haben das Betäubungsmittel zu hoch dosiert. Aber jetzt geht es ihr viel besser, wie du siehst.«
Sie sah nicht so aus. Jemand, der Ruth noch nie begegnet war, hätte die trüben Augen, die gelbliche Haut und die lethargischen Bewegungen vielleicht für ganz normale Anzeichen ihres Alters gehalten, aber ich wusste es besser. Trotzdem schien sie körperlich einigermaßen in Ordnung zu sein.
Weitere Kostenlose Bücher