Women of the Otherworld 02: Rückkehr der Wölfin
nicht gewusst, dass das geplant war. Ich halte nichts davon, unsere Gäste zu täuschen. Dieses ganze Arrangement ist auch ohne solche Vorfälle schon schwierig genug für dich.«
»Schon okay«, sagte ich durch einen Mund voll Schinken hindurch.
»Nein, das ist es nicht. Bitte sag mir, wenn so was noch mal passiert, wenn ich nicht da bin. Hättest du gern, dass Dr. Carmichael sich diese Bauchwunde ansieht?«
»Mir geht’s gut.«
»Es sind saubere Sachen da, wenn du diese Bluse lieber ausziehen willst.«
»Alles in Ordnung«, sagte ich und hängte dann ein versöhnliches »Später vielleicht« dran.
Sie versuchte nett zu sein. Ich wusste, ich sollte es erwidern. Das zu wissen und es zu tun war zweierlei. Was erwartete sie eigentlich? Dass ich mich für das Mitgefühl bedankte? Sie hätte mich ja nicht kidnappen müssen, oder? Aber als sie mir beim Essen zusah, wirkte ihr besorgter Gesichtsausdruck vollkommen echt. Vielleicht war ihr der Widerspruch gar nicht bewusst – mich erst zu entführen und sich dann Sorgen darüber zu machen, wie ich behandelt wurde. Sie stand da, als wartete sie darauf, dass ich irgendetwas sagte. Was sollte ich sagen? Ich hatte im Umgang mit anderen Frauen wenig Erfahrung. Und entspanntes Geplauder mit jemandem, der mich betäubt und verschleppt hatte, ging über meine Fähigkeiten ganz entschieden hinaus.
Bevor ich mir etwas Passendes ausgedacht hatte, ging Bauer. Erleichterung mischte sich in mein schlechtes Gewissen. Ich wusste genau, ich sollte freundlich zu ihr sein, aber ich war wirklich nicht in der richtigen Stimmung für eine Unterhaltung. Der Rücken tat mir weh. Der Bauch tat mir weh. Ich hatte Hunger. Und ich wollte ins Bett gehen – was nicht bedeutete, dass ich müde war, sondern dass ich mit Jeremy reden wollte. Jeremy konnte telepathisch mit uns Kontakt aufnehmen. Das ging aber nur, wenn wir schliefen. Nach dem Zwischenfall mit Lake stieg Unruhe hinter meinen sorgfältig errichteten Barrikaden auf. Ich wollte mit Jeremy reden, bevor ich den Stress nicht mehr unter Kontrolle hatte. Er arbeitete bereits an einem Befreiungsplan. Ich musste davon hören – wissen, dass die anderen etwas unternehmen würden. Noch mehr brauchte ich seinen Zuspruch. Ich hatte Angst und brauchte etwas Trost. Jemanden, der mir sagte, alles würde wieder gut, selbst wenn ich wusste, dass es ein leeres Versprechen war. Morgen würde ich Bauer gegenüber freundlich und höflich sein. Heute Abend wollte ich einfach nur mit Jeremy reden.
Als ich mit dem Essen fertig war, duschte ich. Ich hatte entschieden ein Problem mit der Dusche. Die Badezimmerwände waren durchsichtig. Die gläserne Wand der Duschkabine war nur leicht mattiert und mutete der Fantasie des Beobachters nicht allzu viel zu. Ich improvisierte einen halben Vorhang, indem ich das Badetuch von der Toilette zu dem Spiegel über dem Waschbecken spannte. Nackt durch Stonehaven zu laufen war eine Sache. In Gegenwart von Fremden tat ich derlei nicht. Wenn ich die Toilette benutzte, legte ich mir ein Handtuch über den Schoß. Manche Dinge erfordern eine gewisse Privatsphäre.
Nach dem Duschen zog ich mich wieder an. Sie hatten mir ein Nachthemd bereitgelegt, aber ich wollte es nicht tragen. Ebenso wenig würde ich morgen die frischen Sachen anziehen. Ich würde wieder duschen und hoffen, dass nichts zu muffeln begann. Meine Kleider waren die einzigen persönlichen Gegenstände, die ich noch hatte. Niemand würde sie mir wegnehmen. Jedenfalls nicht, solange der Geruch noch erträglich war.
Jeremy meldetet sich in dieser Nacht nicht bei mir. Ich hatte keine Ahnung, was schief gegangen war. Die einzigen Gelegenheiten, bei denen Jeremy bisher keinen Kontakt hatte aufnehmen können, waren gewesen, wenn wir bewusstlos oder sediert waren. Ich war mir sicher, dass das Betäubungsmittel aus meinem Blutkreislauf verschwunden war, klammerte mich aber an diese Erklärung. Es war auch möglich, dass Jeremy mich hier unter der Erdoberfläche nicht erreichen konnte, aber das wollte ich nicht in Betracht ziehen. Es würde nicht nur bedeuten, dass ich keinerlei Hilfe von Jeremy bekommen würde, wenn ich meine Flucht plante, sondern auch, dass er mich möglicherweise für tot hielt und gar keine Rettungsaktion plante. Im tiefsten Inneren wusste ich allerdings, dass zumindest der letzte Punkt Blödsinn war. Clay würde kommen. Er würde nicht aufgeben, bevor er nicht meine Leiche sah. Aber die Unsicherheit blieb, die nörgelnde Stimme, die mir sagte,
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