Women of the Otherworld 04: Pakt der Hexen
gewesen. Wenn er ein hungerndes Kind dabei erwischt hätte, wie es ein Brot stiehlt, hätte er ihm eher geholfen, noch mehr zu stehlen. Er ist ein guter Mann. Ich –« Sie unterbrach sich. »Reden wir also noch mal mit John. Aaron müsste seine Adresse herau s finden können.«
»Das dürfte ich auch schaffen. Wenn er zusammen mit Brigid und Ronald Eigentümer des Rampart ist, muss einer von ihnen eine öffentlich einsehbare Adresse haben. Und ich werde Lucas anrufen und ihm sagen, dass ich nicht sofort nach Miami zurückfliege – vielleicht will er sich ja anschli e ßen.«
Johns Adresse zu finden war sogar noch einfacher, als ich gehofft hatte. Sie stand im Telefonbuch. Um ganz sicherzugehen, hackte ich mich in die einschlägigen Pers o nenregister von New Orleans ein und überprüfte sie. Man könnte meinen, dass Paranormale – und ganz besonders Vampire – es nach Möglichkeit vermeiden würden, in irgendeiner Weise akte n kundig zu werden. Es gibt nur sehr wenige Paranormale, die sich ins Telefonbuch eintr a gen lassen, wie John es getan hatte. Aber wenn es um Angelegenheiten geht, die behördlicherseits so sorgsam geregelt sind wie eine Schankerlaubnis, ist es tatsächlich noch gefährlicher, falsche Angaben zu machen als gar keine. Vampire haben gültige Führerscheine und füllen die Formulare ihrer Steuererklärung aus wie jeder andere Bürger auch, wobei der Name, den sie dabei angeben, nicht zwingend ihr wirklicher Name ist. Manche suchen sich ein Opfer in ihrem Alter aus und nehmen eine Zeit lang seine Identität an. Andere lassen sich von paranorm a len Fälschern etwa alle zehn Jahre neue Dokumente au s stellen. Ebenso wie Cassandra schien John die zweite Methode vorzuziehen.
Als Nächstes rief ich Lucas an. Wie ich erwartet hatte, wollte er sich uns anschließen. Wir erwogen, ob Cassandra und ich auf ihn warten sollten, bevor wir bei John vorbe i gingen, aber er war nicht der Ansicht, dass seine Gege n wart uns helfen würde. Er würde mit dem nächsten Flug nach New Orleans kommen, und wir würden uns am Nachmittag treffen.
Inzwischen war es sechs Uhr morgens und an Schlaf nicht mehr zu denken. Ich machte einen neuen Umschlag für die Bauchwunde und sprach eine weitere Heilung s formel. Beides half. Ein paar Stunden Schlaf hätten wah r scheinlich noch mehr geholfen, aber dafür fehlte mir die Zeit.
Um sieben gingen wir in ein Bistro ein paar Häuser we i ter, wo ich Beignets und Café au lait bestellte und Ca s sandra schwarzen Kaffee. Nach dem Frühstück versuchte Cassandra, Aaron anzurufen, aber er ging nicht ans Ha n dy, und so hinte r ließ sie ihm nur eine Nachricht. Dann nahmen wir ein Taxi und brachen auf zu unserem nächsten Interview mit dem Vampir.
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Traditionsbewusstsein
W
ir standen auf dem Gehweg vor Johns Haus. Cassandra sah an der Fassade hinauf und seuf z te.
»Du hast ja wohl nicht mit einem Ziegelbungalow g e rechnet, oder?«, fragte ich. »Es ist jede n falls nicht so schlimm wie das Rampart.« Ich warf einen Blick durch den schmiedeeisernen Garte n zaun. »Oh, das hatte ich gar nicht gesehen … Das da auch nicht! Ist das, was ich glaube – ohh.« Ich trat einen Schritt zurück. »Vielleicht wartest du lieber draußen.«
Cassandra seufzte wieder – tiefer und lauter.
Nun habe ich wirklich nichts gegen viktorianische Arch i tektur. Ich bin in einem wunderschönen kleinen Haus des späten neunzehnten Jahrhunderts aufgewachsen. Aber Johns Domizil hatte alles, was den Stil in Verruf gebracht hat, plus eine ordentliche Prise Schauerromantik, Unterk a tegorie amerikanische Südstaaten. Es sah aus wie das sprichwörtliche Geisterhaus, efeuüberwuchert, mit abblä t ternder Farbe, abgedunkelten Fenstern und rostenden Geländern. Bei näh e rem Hinsehen war der Verfall rein kosmetischer Natur – das Vordach hing nicht durch, das Holz war nicht verfault, selbst die gesprungenen Platten des Gartenpfads waren durchaus stabil genug, dass man gefah r los auf ihnen gehen konnte. Der Vorgarten wirkte überw u chert und vernachlässigt, aber selbst ein Hobb y gärtner hätte erkennen können, dass die meisten der »U n kräuter« in Wirklichkeit wild aussehende Mehrjährige waren.
»So was hat meine Mutter fast verrückt gemacht«, sagte ich, während ich auf den Rasen zeigte. »Leute, die vers u chen, ihren Vorgarten aussehen zu lassen wie ein Trü m mergrun d stück. Kein Wunder, dass die Nachbargärten so hohe Mauern haben. Aber immerhin, er hat nette Wasse r speier. Ich
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