Women of the Otherworld 04: Pakt der Hexen
sie sie nicht mehr ganz schli e ßen, und von Mal zu Mal wird der Ritz in den Schleusentoren größer.
Es läuft darauf hinaus, dass die Kabalen die Hellseher b e nutzen und aufbrauchen. Die Möglichkeiten und die Vers u chung, sich ihrer zu bedienen, sind so groß, dass der Hellseher zum »Sehen« gezwungen wird, bis das Tor zusammenbricht und er in eine Alptraumwelt nicht e n dender Visionen hinau s gerissen wird, in der er das Leben aller anderen sieht und sein eigenes aus den Augen verliert.
Das war es, was Benicio mit Faye Ashton getan hatte. L u cas’ Großvater hatte sich Faye gesichert, als sie noch ein Kind war, und sie behütet aufwachsen lassen, bis sich ihre Kräfte voll entwickelt hatten. Zu diesem Zeitpunkt war Benicio der Firmenchef. Zwanzig Jahre lang arbeitete Faye als Hellseh e rin der Cortez’. Ein langes Berufsleben für einen Hellseher, was auch darauf hindeuten mochte, dass Benicio versucht hatte, ihre Kräfte zu schonen. Der Au s gang aber war der übliche: Sie wurde wahnsinnig, und er hatte sie in dem Pfl e geheim untergebracht.
Neben den Resten ihrer Kräfte hatte sie sich genug gei s tige Gesundheit erhalten, um Benicio nie wieder in ihre Nähe zu lassen. Bei Lucas dagegen war das etwas anderes. Sie kannte ihn, seit er ein Kind gewesen war, und hatte niemals eine Gelegenheit vorbeigehen lassen, Leuten zu helfen, die die Kabalen bekämpften. Und so bekam Lucas einen Blank o scheck dafür, ihre Fähigkeiten zu nutzen. Er hatte es niemals getan. Sie hatte ihm versichert, dass ein gelegentliches »S e hen« ihren zerstörten Geist nicht noch zusätzlich schädigen würde, aber er wollte das Risiko nicht eingehen. Jetzt alle r dings blieb uns keine andere Wahl.
Das Pflegeheim war eine hundert Jahre alte Stadtvilla in einem Viertel, in dem die meisten Wohnhäuser längst zu Arztpraxen und Kanzleien geworden waren, weil die Erha l tungskosten der monströsen Bauten immens waren. Von der Straße aus sah das Heim wie eines der wenigen Häuser aus, die noch als private Wohnhäuser dienten, ohne Schilder am Eingang und mit einem Vorgarten, der noch nicht zum Par k platz geworden war.
Wir parkten in der Einfahrt hinter einem Kleinlastw a gen, und Lucas klingelte an der Haustür. Ein paar Minuten später öffnete ein älterer Schwarzer die Tür und bat uns herein. Als die Haustür sich hinter uns schloss, hatte ich das Gefühl, wieder im Firmensitz der Cortez’ zu stehen. Jeder Straße n lärm war wie ausgelöscht. Das Haus musste über eine ers t klassige Isolierung verfügen, wahrscheinlich damit die Nachbarn nicht merkten, dass dies kein Priva t haus war.
Auch im Inneren beeinträchtigte nichts die Atmosphäre häuslicher Normalität, weder eine Empfangstheke noch ein Bereitschaftstisch für die Pfleger, nicht einmal der übliche Krankenhausmief aus Desinfektionsmittel und zu Tode gekochtem Essen. Die Haustür öffnete sich auf einen g e schmackvoll gestalteten Gang mit einem Wohnzimmer auf einer Seite und einer Bibliothek auf der anderen. Das Lachen einer Frau flatterte aus dem ersten Stock zu uns herunter, gefolgt vom Murmeln einer Unterhaltung. Die einzigen Gerüche, die uns hier empfingen, waren der Duft nach fr i schen Blumen und noch frischerem Brot.
Lucas begrüßte den Leiter des Hauses, Oscar, und stel l te mich vor. Wie er mir zuvor bereits erklärt hatte, waren Oscar und seine Frau Jeanne Schamanen, gehörten also einer Sp e zies an, deren Reputation für Mitgefühl und innere Ausgegl i chenheit sie geradezu für die Betreuung Geisteskranker prädestinierte. Dies war eine Einrichtung für Langzeitpatie n ten; bei keinem der acht Bewohner rechnete man damit, dass er das Haus jemals wieder ve r lassen würde. Alle waren sie ehemalige Angestellte der Cortez-Kabale. Alle waren angeblich aufgrund der auße r gewöhnlich großzügigen Soziallei s tungen dieser Firma hier, also in Wirklichkeit deshalb, weil die Cortez-Kabale für ihren Geisteszustand verantwortlich war.
»Schön, dich mal wieder zu sehen«, sagte Oscar und klop f te Lucas auf den Rücken, während wir den Gang entlanggi n gen. »Es ist über ein Jahr her, stimmt’s?«
»Ich war –«
»Unterwegs.« Oscar lächelte. »Das war eine Festste l lung, kein Vorwurf. Wir wissen alle, was du so treibst.«
»Wie geht es Faye?«
»Nicht besser. Auch nicht schlechter. Ich habe ihr g e sagt, dass du kommst, sie ist also vorbereitet. Die Frau ist so stark wie ein Ochse. Sie kann vollkommen katatonisch sein, aber sobald ich ihr
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