Women of the Otherworld 04: Pakt der Hexen
zehn Uhr, und heute Abend findest du niemanden mehr, der es sonst noch tun könnte. Also kannst du’s genauso gut mich versuchen lassen, damit ich mich bei Lucas r e vanchieren kann.«
Was sollte ich dazu schon sagen? Die nächsten paar Stu n den in Gesellschaft der Totendiva zu verbringen war nicht meine Vorstellung von einem gelungenen Abend. Aber sie wirkte jetzt ruhiger, nachdem der Adrenalinstoß der Vorste l lung abgeklungen war. Einen Versuch war es wert. Das jedenfalls sagte ich mir, während sie den Mo r genmantel fallen ließ und sich auf die Suche nach Kleidung machte.
16
Nicht mehr da
D
er Taxifahrer fand die Adresse, die ich ihm geg e ben hatte, und hielt vor einem quadratischen Ziege l block, der eingezwängt zwischen einem Restaurant und einem kleinen Steuerberatungsu n ternehmen stand. Anders als seine Nachbarn hatte das Gebäude kein auffälliges Fi r menschild. Ich musste eine Min u te lang suchen, bevor ich in einem der Fenster ein fast mikr o skopisch kleines Schild fand: THE MARSH MEM O RIAL CLINIC.
»Herrgott«, sagte Jaime, als ich nach dem Nachtportier klingelte. »Was ist das hier – ein Rehabilitationszen t rum?«
»Eine Privatklinik«, sagte ich.
»Scheiße. Wen muss ich umbringen, damit ich da rei n komme?« Sie fing meinen Gesichtsausdruck auf. »Ah, also nicht wen , sondern wie viele. Eine Kabalenklinik.«
Eine blonde Frau Mitte vierzig öffnete die Tür. »Ms. Winterbourne. Hallo. Mr. Cortez hat gesagt, Sie würden heute Abend noch vorbeikommen. Kommen Sie doch bitte herein. Und dies ist Jaime Vegas?«
Jaime nickte.
»Hat sich an Danas Zustand irgendwas verändert?«, fragte ich. Einen kurzen Augenblick lang zuckte eine Gefühlsregung über das gelassene Gesicht der Schwester. »Ich fürchte nein. Sie können bleiben, so lange Sie wollen. Mr. Cortez hat darum gebeten, dass dieser Besuch privat bleibt. Wenn Sie mich also brauchen, klingeln Sie einfach. Ansonsten werde ich Sie in Frieden lassen. Sie ist im Zi m mer Nummer drei.«
Ich bedankte mich und folgte ihrer Wegbeschreibung. Im Gehen sah Jaime sich interessiert um.
»Und wenn man sich vorstellt«, sagte sie, »das hier ist für die Angestellten. Für die Führungsebene haben sie wah r scheinlich eine Klinik in den Schweizer Alpen. Und die Familienangehörigen? Das weiß der Himmel. Kannst du dir vorstellen, das Geld zu haben?«
»Ruf dir ins Gedächtnis, wo es herkommt«, zitierte ich L u cas. »Ich versuch’s ja, aber weißt du, manchmal sieht man, was eine Kabale alles tun kann, und denkt – na ja, vielleicht wäre es gar keine so schlechte Sache, hin und wieder ein paar Seelen zu foltern. Du gehst mit dem T y pen, dem das alles eines Tages gehören wird. Ich bin mir sicher, du hast schon drüber nachgedacht.«
»Nicht mit viel Spaß dran.«
»Alle Achtung. Ich wäre in Versuchung. Scheiße, ich war in Versuchung. Hast du Carlos je getroffen?«
»Carlos Cortez? Nein.«
»Er ist der Jüngste. Na ja, du weißt schon, der jüngste u n ter den leg – also, von Delores’ Söhnen. Carlos ist der At t raktive in der Familie. Schlägt seiner Mutter nach, und die ist umwe r fend … und bösartig wie ein tollwütiger Hund. Die Bösarti g keitsgene hat Carlos auch mitgekriegt, aber Benicios Hirn allem Anschein nach nicht; sehr gefäh r lich ist er also nicht. Jedenfalls bin ich Carlos vor ein paar Jahren in einem Club begegnet, und er hat ganz entschi e den Interesse bekundet. Ein paar Sekunden lang war ich in Versuchung. Ich meine, da triffst du einen Typen mit Geld und Macht, das Ganze in einer Verp a ckung, die in sich schon ziemlich perfekt ist, was könnte sich ein Mädchen sonst noch wü n schen? Okay, vielleicht jema n den, der nicht den Ruf hat, im Schlafzimmer hässliche Spielchen zu spi e len, aber jeder hat seine Macken, stimmt’s? Ich schwör’s, genau das hab ich mir damals überlegt. Ich stehe da, sehe mir diesen Typen an und de n ke, hm, vielleicht kann ich ihn ja ändern.«
»Wahrscheinlich nicht.«
»Die Stimme der Wahrheit, was? Ich lerne meine Lekt i onen manchmal ein bisschen langsam, aber das ist eine, die ich mir eingeprägt habe. Nimm’s oder lass es. Andern wirst du’s nicht. Aber das hat mich nicht davon abgeha l ten, mir das mit Carlos zu überlegen. Macht und Geld – wenn Calvin Klein den Duft auf Flaschen ziehen könnte, würde er ein Vermögen machen.« Sie grinste kurz zu mir herüber. »Wir hätten Schwägerinnen sein können. Das hätte etwas Leben in die Familientreffen
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