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Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)

Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)

Titel: Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Götz W. Werner
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verschwand das Harzburger Modell nach und nach von der Bildfläche der Managementtheorien.
    Aber 1967 war das Harzburger Modell noch sehr in Mode, und es gehörte unter Führungskräften zum guten Ton, die Akademie besucht zu haben. Auch ich habe die ersten dm-Jahre noch sehr überzeugt mit diesen Methoden gearbeitet, bis ich damit an unternehmerische Grenzen stieß.
    Nach den drei Volontariatsstationen und dem dreimonatigen Führungslehrgang stand ich im November 1968 mit 24 Jahren endlich in Heidelberg in der Drogerie meines Vaters. Nunmehr waren es nicht mehr große Kinderaugen, mit denen ich auf das bunte Sammelsurium von Waren in den Filialen blickte. Auch der »Pustebär«, der vor dem Hauptgeschäft in der Hauptstraße, Ecke Märzgasse mit Seifenblasen die Aufmerksamkeit der Passanten weckte, war mir nicht mehr wichtig. Jetzt betrachtete ich die Geschäfte meines Vaters mit professionell geschultem Blick.
    »Vati, wenn du so weitermachst, gehst du pleite«
    Mein Vater war im Prinzip ein Selfmademan. Deswegen hat er auch seine Werbung selbst gemacht. Überhaupt einen Slogan zu haben, war damals etwas Besonderes. Mein Vater hatte zwei. Der eine hieß: »Drogerie Werner – vielseitig, höflich, preiswert«. Mit diesem Slogan ist er groß geworden, hat in den 1950er und 1960er Jahren eine Filiale nach der anderen aufgebaut. Dann aber hatte er noch einen zweiten Slogan, auf den er besonders stolz war: »Drogerie Werner führt alles oder besorgt es schnell«. Das war der Sargnagel für seinen Betrieb! Denn ein solches Versprechen war auf die Dauer viel zu kostspielig, um es zu halten.
    Heidelberg ist eine Universitätsstadt. Hier wohnen viele Leute aus dem Ausland, Studierende und Gastprofessoren. Die waren begeistert, dass sie im Geschäft meines Vaters alles kaufen konnten, was sie sich jemals gewünscht hatten. Und sie wollten diesen Service auch weiter nutzen, wenn sie wieder in ihrer Heimat waren. Mein Vater – vielseitig, höflich, preiswert – besorgte alles, packte es sorgfältig in kleine Pakete, adressierte und frankierte, und dann zog er abends zur Post, um unzählige Päckchen in alle Welt zu versenden. Da kam es vor, dass er Drogeriewaren bis nach Indonesien, nach Jakarta oder Surabaya, schickte. Ihn trieb geradezu eine Dienstleistungsmanie, jeden Wunsch zu erfüllen. Und es kam mehr als einmal vor, dass die Ware nicht bezahlt wurde – obwohl er den Aufwand, den ihn diese Art von Verkauf kostete, ohnehin schon nicht berechnete. Immer gemäß dem Slogan: »Drogerie Werner führt alles oder besorgt es schnell«.
    Als ich Ende 1968 nach Heidelberg kam, hatte er etwa 20 Filialen mit rund 200 Mitarbeitern. Das Ganze war eine Ansammlung kleiner Lädchen mit unterschiedlichsten Spezialisierungen. Es gab Drogerieartikel hier, pharmazeutische Produkte dort; zwischendurch eine Fotoabteilung und verschiedene kleine Reformhäuser. Aber nichts davon war in irgendeiner Weise durchstrukturiert. Ich habe dann den Dezember über alle Läden begutachtet, mit allen Mitarbeitern gesprochen, sozusagen observierend gearbeitet, analysiert, würde man heute sagen, um dann nach dem Weihnachtsgeschäft zu sagen: »So, Vati, jetzt müssen wir uns mal unterhalten.«
    Das Ergebnis der Analyse war offensichtlich, jedenfalls für mich: Man musste das Ganze aufräumen, und zwar schnell. Doch mein Vater lebte ganz im betriebswirtschaftlichen Nirwana. Von Kostenrechnung keine Spur. Seine neue Frau, die wir in der Familie immer liebevoll den »Rauschgoldengel« nannten, war mit der Buchhaltung jämmerlich im Rückstand. Selbst so banale Zahlen wie die aktuellen Umsatzzahlen waren schwer zusammenzukriegen.
    Meinen Vater hat das nicht bekümmert. Er sagte immer: »Ich habe das alles im Kopf. Mach du das erst mal besser!« Er war ja viele Jahre sehr erfolgreich gewesen. Darauf ruhte er sich aus. Zwar ahnte er, dass die Geschäfte nicht mehr so gut liefen wie früher, aber da er mit seinen Bilanzen zwei Jahre zurück lag, ahnte er nicht, wie stark sich die wirtschaftliche Situation bereits verschlechtert hatte.
    Die Lieferanten lieferten nur noch, wenn die letzte Rechnung bezahlt war. Er hatte dort also keinen Kredit mehr. Der Leiter der Sparkasse hatte mich auch schon beiseitegezogen: »Wann übernehmen Sie endlich das Geschäft? Das geht so nicht weiter. Wir stützen das nur aus alter Verbundenheit.« Fragte ich meinen Vater, ob es eine Erfolgsrechnung gab, sagte er unwirsch: »Dazu habe ich keine Zeit; ich muss jetzt die Bilanz von

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