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Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)

Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)

Titel: Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Götz W. Werner
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Vorher hatten sie bei einem Problem mit einem Mitarbeiter sofort den Bezirksleiter angerufen. Jetzt mussten sie selbst in die Auseinandersetzung gehen und sich dabei auch selbst hinterfragen.
    Aber auch für die bisherigen Bezirks- und die Gebietsverkaufsleiter hieß die Veränderung, langjährig vertrautes und lieb gewonnenes Denken und Handeln umzustellen. Das ist nicht allen leicht gefallen. Manche haben das Unternehmen lieber verlassen. Ein Teil der bisherigen Bezirksleiter übernahm Aufgaben in der Revision. Aber die meisten Bezirksleiter haben sich gern auf das Experiment eingelassen und es nicht bereut. Als Gebietsverantwortliche haben sie oftmals mehr Verantwortung und Gestaltungspielraum als mancher Geschäftsführer in einem Konzern.
    Statt um Macht und Herrschaft geht es in diesem Miteinander-Füreinander-Leisten nunmehr um Selbstbeherrschung und Selbstführung. Im Dialog werden Warum und Wozu geklärt, genauso wie das Wohin und Wofür.
    Glücklicherweise arbeiten bei dm sehr viele Frauen. Das kam uns in dieser Situation zugute. Frauen sind viel eher bereit, Verantwortung zu übernehmen, während Männer in der Regel erst fragen, wer denn eigentlich dafür zuständig sei. Eine Frau sieht die Arbeit und ergreift sie. Der Unterschied ist mir zuerst bei meinen Kindern aufgefallen, aber dann habe ich ihn hunderte Male im Unternehmen wiederentdeckt. Die Kehrseite der Medaille: Frauen neigen deswegen gelegentlich auch dazu, ihre Kompetenzen zu überschreiten. Denn die Einstellung »Das muss doch gemacht werden. Wer soll es machen, wenn nicht ich?« verhindert eben manchmal auch, dass ein anderer initiativ werden kann. Geduld ist deswegen auch eine wichtige Tugend der Führungskraft.
    Subsidiarität statt Handbuch
    Der Umbau und die Verflachung der Hierarchie waren ein wesentlicher Schritt für den weiteren Erfolg von dm. Ab sofort wurden die Dinge dort entschieden, wo sie entschieden werden müssen – akademisch ausgedrückt: Subsidiaritätsprinzip. Wir wollten, dass die Organisation für den Menschen da ist und nicht der Mensch für die Organisation. Das hatte noch weitere Folgen.
    Wir schrieben keine Handbücher, weil doch jedes Kind weiß, dass Handbücher nicht gelesen werden. Deswegen haben wir bei uns den Spruch gepflegt: »Organisation ist, wenn es trotzdem klappt!« Wenn die Menschen willens sind, suchen sie immer nach dem besten Weg. Jemand, der die Geschirrspülmaschine ausräumen muss, der kommt früher oder später dahinter, wie er sie so einräumen muss, dass er sie später schneller ausräumen kann.
    »Das Ziel der Organisation ist, dass möglichst viele im Sinne des Ganzen intelligent handeln.« Das war der Leitgedanke. Dabei steht dann am Anfang allen Handelns die Sinnvermittlung. Wenn einer im Unternehmen tätig ist, dem der ganze Laden ohnehin total gleichgültig ist, dann wird der auch mit noch so viel Druck und Anreizsystemen keine Leistung bringen. Wer will, findet Wege; wer nicht will, findet Ausreden.
    Wer interessiert daran ist, dass der Laden gut läuft, weil er in ihm einen Sinn sieht, der wird sich mitverantwortlich fühlen und engagiert mitwirken. Die entscheidende Frage lautet: Wollen die Menschen, dass unser Unternehmen ein erfolgreiches Unternehmen wird, oder wollen sie das nur, damit sie einen sicheren Arbeitsplatz haben?
    Für uns als Gemeinschaft ergibt sich daraus die Frage, wie wir kultivieren können, dass möglichst alle Beteiligten in dieser Gemeinschaft einen Sinn sehen. Denn nur der Sinn löst einen Sog aus, so dass die Mitarbeiterin trotz Unwohlsein am Morgen sagt: »Ich darf die Kollegen nicht enttäuschen. Ich muss kommen. Ich werde gebraucht.« Und auch bei den Kunden muss es einen Unterschied machen, ob der Laden geöffnet oder geschlossen hat: »Wie? Der dm hat zu, das ist ja eine Katastrophe!« Wenn der Kunde kein Mangelerlebnis hat, wenn es irgendwo keinen dm gibt, dann werden wir nicht gebraucht. Bei Facebook kann man oft lesen, dass jemand klagt, in seiner Region gäbe es keinen dm, da müsse unbedingt einer eröffnen. Es soll sogar schon mal irgendwo eine Bürgerinitiative gegeben haben, die einen dm-Markt gefordert hat. Selbst wenn das nur ein Gerücht ist – die Vorstellung, dass es so etwas geben könnte, gefällt mir gut. Und sie macht deutlich, dass die Entscheidung, wie und wo wir unser Geschäft betreiben, nicht die Geschäftsführung oder irgendeine zentrale Abteilung, sondern in Wahrheit schlicht der Kunde fällt.
    Es war dieser einfache Gedanke, der

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