Wood, Barbara
Puls zu
fühlen, um sicherzugehen, dass die Blutzirkulation nicht eingeschränkt war,
aber in diesem Fall kam das nicht in Frage.
»Ich werde
jetzt das Bein am unteren Ende bewegen. Dazu muss einer von Ihnen sein Knie
festhalten.«
Maxberry
stellte sich zur Verfügung.
»Bitte
sorgen Sie dafür, dass die Latten griffbereit sind«, sagte sie zu den anderen,
»und genügend Stoff, um sie fest zu umwickeln.« Und zu Jamie gewandt: »Mr. O'Brien, ich werde
jetzt Ihren Knöchel und Ihr Knie schienen, und dazu muss Ihr Bein ganz
ausgestreckt sein. Das kann ein bisschen wehtun, aber sobald die Enden der
Knochen aufeinander zu liegen kommen, sollte der Schmerz nachlassen.«
Sie
stellte sich unten an den Wagen, und als sie O'Briens Hosenbein hochschob, um den Knöchel zu umfassen, entdeckte sie dort
jede Menge dick vernarbte Haut. Sie schien von eisernen Fußfesseln herzurühren,
und eindeutig waren seine Knöchel so oft aufgescheuert worden, dass frühere Wunden
nie ganz hatten abheilen können.
Noch etwas
bemerkte sie, etwas weitaus Beunruhigenderes, am Hosenbein, in Höhe
Schienbeinmitte. Ein heller roter Fleck in der Größe eines Shillings.
Blut.
»Moment
noch«, sagte sie so ruhig wie möglich zu Mr. Maxberry, der bereits in den
Wagen geklettert war und bereit zum Einrichten der Knochen neben Jamie kniete.
Sie
entnahm ihrer Teppichtasche eine scharfe Schere und schnitt damit das Hosenbein
in Kniehöhe ab.
Schweigend
verfolgten die Männer jeden ihrer Handgriffe. Fliegen schwirrten umher, aber
kein Lüftchen ließ das trockene Laub der streifenborkigen Eukalypten rascheln.
»Allmächtiger!«,
entfuhr es Maxberry, als das Bein freigelegt war.
»Gütiger
Himmel«, murmelte Hannah.
Und Jamie sagte: »Was ist denn? Seid ihr da unten auf 'ne Goldader gestoßen?«
»Junge,
Junge«, sagte Maxberry, »das is ja
vielleicht 'n Mordsbruch. Der Knochen ragt aus der Haut raus. Wann ist denn
das passiert?«
»Heute
morgen«, kam es von Jamie. »Ich bin
vom Wagen runter, und irgendwie war das wohl nicht so gut.«
»Du hast
dir das Bein ein drittes Mal gebrochen?!«,
rief Maxberry. Tränen schossen ihm in die Augen.
Auch
Hannah rang um Fassung. Offene Brüche waren verhängnisvoll. Jeder Arzt würde
Mr. O'Brien sagen, dass hier nur eine
Amputation in Frage kam.
»Kriegen
Sie das wieder hin?« Maxberry sah Hannah an.
»Ich
verfüge weder über die entsprechenden Instrumente, Mr. Maxberry noch über die
dafür nötige Ausbildung. Sie müssen Ihren Freund zurück nach Adelaide bringen.«
»Wir
kehren nicht um«, sagte Jamie. »Was ist
denn schon dabei, ein Bein zu verlieren. Ich hab doch noch ein zweites. Sie
kriegen das doch hin, Miss Conroy?« Blaue Augen blickten sie inständig bittend
an.
Hannah
hatte ihrem Vater assistiert, als sich ein Bauer aus Bayfield das Schienbein gebrochen hatte und der Unterschenkel amputiert werden
musste. Jetzt rief sie sich in die Erinnerung zurück, wie er dabei vorgegangen
war. »Offene Brüche, bei denen der Knochen durch die Haut stößt«, hatte John
Conroy erklärt, »ziehen zwangsläufig Wundbrand und eine so schwere Infektion
nach sich, dass der gesamte Körper davon betroffen wird und unausweichlich zum
Tod des Patienten führt. Einzig und allein kann dies verhindert werden, wenn
man in Höhe des Knies amputiert und die Wunde ausbrennt, um zu verhindern, dass
sich die Infektion ausbreitet.«
Während
sie noch leise seine Stimme zu vernehmen meinte und O'Briens Männer betreten dreinschauten - und urplötzlich ein Schwarm Raben laut
krächzend einen der umstehenden Eukalyptusbäume in Beschlag nahm -, schweiften Hannahs Gedanken weg von der Amputation.
Sie konzentrierte sich ganz auf die Worte des Vaters, denen sie jetzt mit
neuem Verständnis lauschte.
Damals
hatte sie gar nicht daran gedacht zu fragen, warum sich eine Infektion der
Wunde, die durch Amputation entstand, verhindern ließ, nicht aber eine
Infektion als Folge eines offenen Bruchs. Jetzt, da sich diese Frage stellte,
überlegte sie: Wo war da der Unterschied?
Sie war so
still geworden, dass Maxberry verunsichert fragte: »Sie werden uns doch nicht
ohnmächtig werden, hm?«
Sie
schaute ihn an, las Kummer und Angst in den Augen dieses wahrlich
unattraktiven Mannes, der da neben seinem Freund kniete, wandte sich dann
wieder Jamie O'Brien zu, der
sie mit einem scheinbar unbekümmerten Lächeln beobachtete. »Keine Sorge, Miss
Conroy«, witzelte er. »Das ändert nichts an meinen Plänen. Schätze, ein Mann
mit einem
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