Wood, Barbara
einfiele!
Schließlich
schlief er ein. Als er erneut hochfuhr, spürte er neben sich etwas Warmes und
Weiches. Erschrocken setzte er sich auf und sah Jallara neben sich, tief und
fest schlafend. Sie hatte sich in Seitenlage unter seiner Felldecke
ausgestreckt, ihr Gesicht von seinem abgewandt. Ihre Augen waren geschlossen.
Im Rhythmus ruhigen Atmens bewegte sich ihre Schulter auf und nieder. Neal
spähte durch das Lager. Alles schlief, auch die Dingos. Was aber würde sein,
wenn es hell wurde? Würde Thumimburee, wenn man ihn zusammen mit dem Mädchen
sah, seinen Zorn an ihm auslassen, weil doch bestimmt ein Tabu verletzt worden
war?
Er
betrachtete das Mädchen eingehender. Jallara hatte die Hände gefaltet und
unter den Kopf geschoben. Im Mondlicht sah er, dass die Bemalung auf ihrem
Gesicht und dem Oberkörper völlig intakt war. Als er die Decke anhob, stellte
er erleichtert fest, dass ihr Bastrock nicht verrutscht war. Eigentlich war
nichts an ihr irgendwie anstößig, es konnte also, während er schlief, nichts
Ungehöriges vorgefallen sein. Offenbar war sie nur zu ihm gekrochen, um ihn zu
wärmen - die Nacht war ja auch bitterkalt genug -, oder aber er hatte im Schlaf
aufgeschrien, und sie hatte ihn beschwichtigen wollen.
Eigenartig,
dass sie genau dies erreicht hatte. Ihre warme Gegenwart wirkte tatsächlich
beruhigend. Er brauchte eine Weile, um die Nachwirkungen eines bösen Traums
abzuschütteln, dann glitt er hinüber in einen tiefen und festen Schlaf.
Kaum war
er erwacht, reichte Jallara ihm eine mit Wasser gefüllte Opossumhaut sowie
warme Samenkuchen. Als er in ihre schwarzen Augen sah und daran dachte, als wie
wohltuend er die Nacht über ihre Nähe empfunden hatte, überkam ihn der Wunsch,
sich ihr und ihren Leuten erkenntlich zu zeigen, dass sie ihm das Leben
gerettet hatten. Auch wenn er sich nur undeutlich an Einzelheiten während des
Sandsturms und danach erinnerte, stand fest, dass er ohne Jallara und ihren
Clan nicht überlebt hätte.
Die Idee,
auf welche Weise er ihnen seine Dankbarkeit bezeugen konnte, kam ihm, als er
auf schwachen Beinen im Lager herumtappte und sich dabei einen Augenblick lang
an einen Strohverschlag lehnte - der daraufhin prompt in sich zusammenfiel.
Beschämt entschuldigte er sich bei den beiden Männern, die ihm aufhalfen, die
aber lachten nur und stellten den Verschlag innerhalb von Minuten wieder auf.
Und da wusste Neal, was er Jallara und ihrem Volk Gutes tun konnte.
Dieser
primitive Clan, der keine Kleider trug, nichts besaß, keine Vorstellung von
Geld oder Reichtum hatte, der weder lesen noch schreiben konnte, mit Stöcken
auf die Jagd ging und in Unterständen lebte, die so leicht wie Kartenhäuser in
sich zusammenfielen, war wie Adam und Eva vor dem Sündenfall. Warum errichteten
sie keine stabileren Unterkünfte?, fragte er sich und fand selbst die Antwort
darauf: Sie wussten nicht, wie. Kein Wunder, sie verfügten ja auch nicht über
Hämmer und Nägel, Meißel und Sägen. Und warum waren ihnen Pfeil und Bogen
fremd? Neal beschloss, sie mit all dem vertraut zu machen. Dann würden sie sehr
viel erfolgreicher jagen können, und dementsprechend würden sich ihre
Lebensumstände verbessern. Auch wie man solidere Behausungen baute, wollte er
ihnen zeigen, und wie man Samen aussäte, damit sie das ganze Jahr über genug zu
essen hatten und nicht ständig auf Nahrungssuche gehen mussten.
Voller
Tatendrang machte er sich auf die Suche nach Materialien, die sich als Pfeil
und Bogen verwenden ließen. Und wenn er erst wieder ganz bei Kräften war, würde
er über Jallara ihre Leute bitten, ihm bei der Suche nach Sir Reginald und der
Expedition zu helfen. Oder was von ihnen übrig geblieben war.
Nur wann
würde das sein? Wann endlich war er in der Lage, die Suche nach ihnen - oder
nach Überlebenden - aufzunehmen? Er konnte sich bereits ohne fremde Hilfe
bewegen, wenn auch langsam und humpelnd und immer darauf bedacht, sich nicht zu
überanstrengen. Und da seine Bekleidung lediglich aus dem Kängurufell um die
Lenden bestand - und seinen Schuhen, Gott sei's gedankt! -, durfte er seine
helle Haut nicht übermäßig der Sonne aussetzen. Demnach war damit zu rechnen,
dass es noch eine Weile dauern würde, bis er sich auf den beschwerlichen Weg
durch dieses Ödland machen konnte. Vor allem musste er zu Kräften kommen. Und
um dies zu erreichen, aß Neal alles, was man ihm vorsetzte, fand sogar nach und
nach Geschmack daran.
Jallara
und die anderen Frauen verbrachten
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