Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wood, Barbara

Wood, Barbara

Titel: Wood, Barbara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieses goldene Land
Vom Netzwerk:
gewöhnlich
das erste Wort, das Missionare den Eingeborenen beibrachten. Aber auch dies
schien sie nicht zu verstehen. Woher stammten dann ihr Englisch und ihr
Nicht-Aborigine-Blut?
    Der
älteste der drei Männer, die Neal Gesellschaft leisteten - ein Schwarzer mit
schlohweißem Haar und Bart, der eine Kette aus Tierzähnen um den Hals trug und
dessen Nasenscheidewand mit einem Holzsplitter durchbohrt war - sagte etwas zu
Jallara, worauf sie auf Neals Brust deutete: »Thumimburee fragen, was ist?«
    Neal
schaute überrascht an sich hinunter. Es war noch da! Das smaragdgrüne
Tränenfläschchen, das er in einem Lederbeutel unter seinem Hemd verborgen
hatte, um zu verhindern, dass vielleicht einer der Expeditionsteilnehmer ein
begehrliches Auge darauf warf. Auch die Aborigines hatten es
ihm nicht abgenommen. Wahrscheinlich hatten sie es als mit Magie
ausgestatteten persönlichen Talisman angesehen; sie trugen ja selbst Amulette,
denen vermutlich geistige und mystische Kräfte innewohnten.
    Es gelang
ihm, ihnen verständlich zu machen, dass dieses Fläschchen die Tränen seiner
Mutter enthielt, was Thumimburee - auf dem Umweg über Jallara - mit einem
feierlichen »Sehr starke Magie, Thulan« kommentierte.
    An diesem
Abend hielt der Clan einen Korrobori ab, um die Genesung des weißen Mannes zu
feiern, der, als sie ihn gefunden hatte, dem Tode nahe gewesen war. Männer und
junge Burschen, geschmückt mit Federn und Knochen, Muscheln und Tierzähnen, die
schlanken Körper mit weißer Farbe bemalt, tanzten um ein mächtiges Feuer, zum
Rhythmus von Stöcken, die Frauen und Kinder aneinanderschlugen.
    Ein
Känguru wurde gebraten, Honigwaben mit wilden Früchten machten die Runde,
alles wurde, wie Neal unter seinem schützenden Laubdach beobachten konnte,
nach einem ausgeklügelten System von Rangfolge und Tabus ausgeteilt. Da war
keiner, der nach Essen grapschte oder es einem anderen streitig machte, die
einzelnen Portionen wurden nach einem strengen Protokoll verteilt, von dem Neal
bereits während seiner Zeit auf dem Forschungsschiff gehört hatte: Der Mann,
der das Känguru erlegt hatte, teilte zuerst das Essen für seine Eltern und die
seiner Frau aus, dann für seine Brüder und für die Männer, die mit ihm gejagt
hatten. Die wiederum teilten es sich mit ihren Familien oder mit Männern, denen
sie etwas schuldig waren, so dass es vorkommen konnte, dass zuweilen für sie
selbst nichts übrigblieb. Neal wusste auch, dass der Junge, der einen Waran
gefangen hatte, ihn nicht selbst verspeisen durfte, sondern seinen Eltern geben
musste, und dass ein Mädchen Essen nur von einem Mann entgegennehmen durfte,
der eng mit ihr verwandt war.
    Jallara
brachte Neal persönlich das Essen, bot ihm schüchtern die saftigen Scheiben
Fleisch an, Wabenstückchen, aus denen Honig tropfte, und in der Glut geröstete
Witchetty-Maden. Gierig stopfte er alles in sich hinein; erst als er gewahr
wurde, dass die anderen ihn anstarrten, bemerkte er sein ungehobeltes Benehmen
und zwang sich, langsamer zu essen. Der Clan trank ausschließlich Wasser, das
Neal nach den Tagen, da er unendlich durstig gewesen war, wie edelster Wein
dünkte.
    Wann immer
er zu Jallara schaute, ertappte er sie, wie sie ihn mit ihren großen,
tiefliegenden Augen durch den Rauch und die Funken beobachtete. Und jedes Mal
durchfuhr ihn im Innersten ein ungewohntes, beunruhigendes Gefühl. Ständig
musste er an sie denken, fühlte sich auf unerklärliche Weise zu ihr hingezogen.
Rührte dies daher, dass sie ein wenig Englisch sprach und er sich deshalb in ihrer
Gegenwart wohlfühlte, weniger als Fremder unter diesen eigenartigen Menschen?
Oder aber gab es dafür einen tieferen Grund, den er noch nicht zu erkennen
vermochte?
    Er schlief
nicht gut in jener Nacht, schreckte immer wieder aus Albträumen hoch, in denen
er in der Wildnis herumirrte. In Schweiß gebadet schaute er auf zu den Sternen,
die durch trockenes Buschwerk und Zweige blinzelten, fragte sich, wo er sich
befand, wohin Jallaras Volk ihn in seinem bewusstlosen Zustand gebracht hatten.
Was war aus Sir Reginald und den anderen Expeditionsteilnehmern geworden?
Waren sie tot? Neal dachte an den jungen Fintan Rorke, der Blumen aus Holz
schnitzte. Hoffentlich waren sie noch alle am Leben. Und dann hatten sich Sir
Reginald und seine Männer bestimmt schon auf die Suche nach ihm gemacht. Oder
hatten sie inzwischen die Suche eingestellt und folgten ihrer geplanten Route
in westlicher Richtung?
    Oder
hatten sie sich

Weitere Kostenlose Bücher