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Wood, Barbara

Wood, Barbara

Titel: Wood, Barbara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieses goldene Land
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Merkwürdig. Die Nächte waren
bitterkalt. In ihrer Familie schliefen Ehemänner und Frauen zusammen, Kinder
schliefen zusammen, selbst mit den Dingos schlief man zusammen. Es ging darum,
sich warm zu halten, und auch darum, nicht allein zu sein, wenn man
schlafwandelte. Thulan jedoch schlief allein. War dies ebenfalls ein Anzeichen
dafür, dass sein Geist krank war?
    »Jallara«,
sagte Thulan, als er vor ihr stand, »bitte richte Thumimburee aus, dass ich
bereit bin, mich in die Gemeinschaft des Clans einführen und aufnehmen zu
lassen.«
     
    27
     
    Die
geheime Initiation vollzog sich in drei Phasen. Die beiden ersten - das
Tätowieren und die Wanderung zur Selbstfindung - waren ihm bekannt. Die dritte
blieb ein Geheimnis, darüber wurde nicht gesprochen. Ein weiteres Tabu in einer
Welt voller Tabus.
    Zum
Auftakt wurde Neal am Vorabend des eigentlichen Rituals abseits des Lagers
geführt, zu einer Stelle zwischen den Felsbrocken, wo eine Grube ausgehoben
worden war, in der Mulgablätter schwelten. Man bedeutete ihm, sich bei Einbruch
der Nacht bis zum Morgengrauen über die qualmende Grube zu hocken, ohne Essen oder
Wasser, ohne einzuschlafen; die Männer würden ihm Gesellschaft leisten und
singen. Zwischen Felsen kniend, beugte sich Neal über den Rauch, bis seine Knie
unerträglich schmerzten und sein Rückgrat völlig steif war. Noch nie hatte er
sich einer derartig qualvollen Prozedur ausgesetzt, aber er hielt durch, entschlossen,
der Wissenschaft zuliebe diese Tortur auf sich zu nehmen.
    Bei
Tagesanbruch führten ihn die Männer einen halben Tagesmarsch weit vom Lager
weg, außer Sicht- und Hörweite der Frauen und der noch nicht initiierten
Jungen. Als sie zu einer Ansammlung von Felsbrocken und trockenen
Spinifex-Haufen kamen, rupfte Daku die langen Grashalme ab, die, wenn man sie
verbrannte, einen stechend schwarzen Rauch entwickelten. Singend wartete man
den Einbruch der Nacht ab.
    Nachdem
die Sonne untergegangen war, knüpfte Thumimburee sein Bündel aus Kängurufell
auf und entnahm ihm zwei eigenartig geformte Stäbe, Wirra genannt. Neal hielt sie für Bumerangs, obwohl sie nicht
symmetrisch waren, denn jeder wies einen langen und einen kurzen Flügel auf.
Auf der Rückseite der flachen Wirra waren
Symbole geschnitzt. Als Neal sah, dass sie unten mit mehreren Reihen spitzer
Dornen gespickt waren, ahnte er, was ihm bevorstand.
    Einer der
Älteren ließ sich jetzt mit einem Didgeridoo auf dem Boden nieder, die anderen,
mit Stöcken bewaffnet, bildeten einen Kreis. Neal wurde angewiesen, ans Feuer
zu treten, und dort bedeutete ihm Thumimburee, seinen Känguru-Schurz
abzulegen. Nachdem Neal dieser Aufforderung nachgekommen war, deutete der
Stammesführer auf den kleinen ledernen Beutel. Da Neal zögerte, sich von dem
darin verborgenen Tränenfläschchen zu trennen, gab ihm Thumimburee zu
verstehen, dass es genüge, den Beutel auf den Rücken zu drehen. Neal schloss
daraus, dass die Tätowierung auf seiner Brust vorgenommen werden sollte. Im
Stehen.
    Als
Thumimburee einen Singsang anstimmte, um die heilige Handlung einzuleiten, und
der hypnotische Klang des Didgeridoo durch die Nacht zog, konzentrierte sich
Neal darauf, den Überblick zu behalten und objektiv zu bleiben. Er wollte sich
die einzelnen Schritte des Rituals und die Gegenstände, die verwendet wurden,
einprägen, und nicht die kleinste Kleinigkeit für die wissenschaftliche
Abhandlung außer Acht lassen, die er der erlauchten Vereinigung der Geologen
und Naturforscher Amerikas zu präsentieren gedachte und die anschließend ein
Kapitel seines Buchs ausmachen sollte.
    Thumimburee
drückte die erste der langen Wirra auf Neals
Oberkörper, rechts vom Brustbein, so dass ihr längerer Flügel bis zu Neals
Taille reichte, während der kurze Flügel im Bogen über seinen rechten
Brustmuskel bis zur Schulter verlief. Mit gleichmäßig sanftem Druck drangen
die Dornen in Neals Haut ein. Als Thumimburee nun begann, mit einem Stein auf
die Wirra zu klopfen,
spürte Neal zunächst ein Prickeln, das in Schmerz überging, je tiefer die
Dornen in sein Fleisch getrieben wurden. Schier unerträglich wurde es, als
Thumimburee nach und nach auf die gesamte Länge der Wirra klopfte, von der Körpermitte zur Brust hoch und bis zur
Schulter. Dazu sangen die Männer und schlugen ihre Stöcke aneinander, entlockte
der Didgeridoo-Spieler seinem Instrument Klänge, die älter waren als alles, schossen
vom Lagerfeuer Funken zu den Sternen hinauf.
    Neal brach
in Schweiß

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