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Wood, Barbara

Wood, Barbara

Titel: Wood, Barbara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieses goldene Land
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aus. Dass die Prozedur so schmerzhaft sein würde, hatte er nicht
erwartet. Warum konnte er sie nicht zumindest im Liegen über sich ergehen
lassen? Er erschrak, als er merkte, wie ihm das Blut über den nackten Schenkel
lief. Waren seine Wunden so tief? Er dachte an hungrige Dingos, die durch die
Nacht streiften. Als er die Faust ballte, um nicht aufzuschreien, hielt
Thumimburee mit dem Klopfen inne, so dass Neal sich kurz entspannen konnte.
Umso lauter stöhnte er auf, als die Wirra entfernt
wurde.
    Er
schreckte davor zurück, an sich hinunterzuschauen, aus Angst, ohnmächtig zu
werden, wenn er derart viel Blut sah. Aber noch ehe er einen Blick riskieren
konnte, drückte Thumimburee ihm die zweite Wirra an die linke Seite seines Oberkörpers, und wieder bohrten
sich die Dornen in sein Fleisch.
    Trotz des
nächtlichen Temperaturabfalls war Neal schweißgebadet. Er fühlte sich
benommen. Die Schmerzen waren schlimmer als je zuvor. Und jetzt rann ihm das
Blut über das andere Bein.
    Und
dennoch empfand Neal ungeachtet des roten Schleiers unglaublicher Qualen mit
einem Mal männlichen Stolz. War es das, was einen edlen Wilden ausmachte? Er
brannte darauf, seine Erfahrungen in Worte zu fassen, versuchte sich
vorzustellen, wie er wohl aussah, von der Glut des Lagerfeuers angestrahlt und
umringt von primitiven Männern, die Stöcke aneinanderschlugen. Er, der
hochgewachsene weiße Mann, der sich tapfer einem Ritual der Eingeborenen
unterzog, erhobenen Hauptes und darauf bedacht, vor Schmerz nicht
aufzubrüllen. Wenn er doch nur seine Kamera-Ausrüstung hätte, wenn doch nur der
junge Fintan mit Kasten und Stativ zugegen wäre, um diese atemberaubende Szene
festzuhalten. Was für eine fotografische Aufnahme dies sein würde!
    Nach
Beendigung der Tortur auf seiner linken Seite wollte er etwas sagen, aber
Thumimburee gebot ihm zu schweigen. Neal sah mit an, wie der Stammesführer aus
einem Beutel aus Opossumhaut einen Schluck nahm, und unterdrückte einen
Aufschrei, als der Alte ihm dann diese Flüssigkeit auf die Brust spie. Schlimmer
als Feuer brannte das! Vor Schmerzen keuchend schaute er an sich hinunter:
blassgrünes Wasser, das nach Gras roch, sickerte über seine offenen Wunden.
Noch dreimal nahm der Stammesführer einen Mund voll des Pflanzensafts zu sich
und spuckte es über Neals durchlöcherte Haut, und jedes Mal wurde das Brennen
heftiger.
    Als Neal
glaubte, es kaum noch ertragen zu können, und das Ende des Rituals
herbeisehnte, griff Thumimburee in einen Beutel und entnahm ihm eine Handvoll
roten Puders. Hilflos musste Neal zusehen, wie der rote Ton, gemischt mit
seinem eigenen Blut, auf seiner Brust verteilt und so nachdrücklich in seine
Wunden gerieben wurde, dass er meinte, Thumimburee habe vor, ihm die Haut
abzuschmirgeln.
    Neal biss
sich auf die Zunge, um nicht aufzubrüllen. Endlich, kurz bevor ihm die Beine
einzuknicken drohten, griffen ihm hilfreiche Hände unter die Arme. Die Brüder
Daku und Burnu legten ihn auf den Boden, man gab ihm Wasser zu trinken und
klopfte ihm anerkennend auf den Rücken. Die Nacht verbrachten alle an Ort und
Stelle, und am nächsten Morgen brachte man Neal zurück ins Lager, wo er sich
im Schatten des Mulgabaums erholen konnte.
    Bis die
Tätowierungen abgeheilt waren, vergingen zwei Wochen. Nach dem Abklingen der
Schmerzen setzte ein Juckreiz ein, dem Neal zu widerstehen hatte, um die
Schorfbildung auf seiner Brust nicht zu beeinträchtigen. Dann verging auch der
Juckreiz, der Schorf fiel nach und nach ab, und Neals weißen Oberkörper überzog
ein verblüffendes Muster von Punkten, ihm beigebracht vom rostroten Herzen Australiens.
     
    28
     
    »Was kommt
nach der Wanderung?«, fragte Neal. »Was ist die dritte Phase der Initiation?«
    Da aber
Jallara nur die Hand hob, um anzudeuten, dass auch dieses Thema tabu war,
konnte er nur hoffen, dass es nicht etwas so Grässliches war wie beispielsweise
eine lebende Schlange zu verspeisen.
    Der Morgen
brach an, im Lager war alles auf den Beinen. Wenn sich jemand auf die Wanderung
zur Selbstfindung begab, war dies Anlass für eine ausgelassene Feier, auf die
sich alle freuten. Die Jungen schleuderten Bumerangs oder spielten Fangen, die
Männer umringten Neal und gaben ihm gute Ratschläge, indem sie mal hierhin,
mal dorthin deuteten, ohne dass er auch nur ein Wort davon verstanden hätte.
Alle erinnerten sie sich an ihre eigenen Erfahrungen Jahre zuvor und wollten
ihm Tipps geben, auch ohne dass Jallara übersetzte. Sie war mit der

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