Wood, Barbara
und sich die gebündelten Stöcke auf den
Rücken schnallten, wie sie die Feuer löschten und alle Spuren ihres Aufenthalts
beseitigten, nicht anders verfuhren wie in jedem Lager seit Verlassen des
Billabong, um dann, ohne sich nochmals nach Neal umzuschauen, weiter gen Westen
zu ziehen.
Lange sah
er ihnen nach, beobachtete, wie die flirrende Hitze der Wüste ihre Umrisse
verzerrte und schließlich verschluckte. Obwohl sie erst wenige Meilen entfernt
waren, kam es ihm bereits vor, als wäre er allein auf weiter Flur. Ohne das
helle Kinderlachen und das Geschnatter der Frauen hatte der Wind etwas
Unheimliches. Er fuhr ihm durch das lange Haar und den Bart, wie um zu sagen: Endlich bist du uns ausgeliefert.
Neal ließ
den Blick über eine Landschaft schweifen, die ihm einst trostlos vorgekommen
war und die er jetzt mit anderen Augen sah. Es war ein Land der Farben: ockerfarbene
Flächen, mit grünen Spinifex-Klumpen durchsetzt, waren eingerahmt von tiefroten
Felsen und lavendelblauen Bergen. Darüber spannte sich der leuchtend blaue
Himmel. »Wir nennen das hier Nullarbor«, hatte er irgendwann einmal zu Jallara
gesagt.
»Warum?«
»Weil da
nichts ist.«
Sie hatte
ihn fragend angesehen, und damals wusste Neal nicht, warum. Sah sie denn nicht
diese Wüste bar jeder markanten Topographie, die nichts anderes zu bieten
hatte als Wind und Staub? Inzwischen verstand er. Auf ihrer Wanderschaft hatte
Jallara ein ums andere Mal auf Bereiche verwiesen, die für ihr Volk eine geheiligte
Bedeutung hatten: den Ameisen-Traumpfad, den Traumzeitpfad des Dingo, den Ort,
an dem der Urvater des Eidechsengeists den ersten Thulan erschuf. Noch immer vermochte Neal nicht, die Merkmale
auszumachen, die solche Plätze kennzeichneten, aber immerhin begriff er, dass
sich auf dieser riesigen Fläche mit ihren bizarren Felsformationen, den
unterirdischen Wasserspeichern und verkrüppelten Bäumen kreuz und quer uralte
Wege zogen, die für die Menschen, die seit Tausenden von Jahren hier lebten,
klar erkennbar waren und historisch bedeutsame Stätten verbanden.
Demzufolge
war dies alles andere als eine öde Wüstenlandschaft.
»Folge
Traumzeitpfaden«, hatte Jallara gesagt. »Halte Ausschau nach Traumpfaden.« Aber
so sehr er sich jetzt auch bemühte, er konnte nichts dergleichen entdecken,
wusste nicht einmal, wo er anfangen sollte. Egal, sagte er sich, griff nach
seinem Speer und machte sich in entgegengesetzter Richtung zu der auf, die der
Clan eingeschlagen hatte, es gibt genug anderes zu entdecken, also los und
keine Zeit vergeuden. Auf der HMV Borealis hatte er
Bücher von Naturforschern gelesen, die mit zu den ersten Erforschern des
Kontinents gehört hatten, und dies versetzte ihn im Laufe des ersten Vormittags
in die Lage, viele der Tiere, die ihm begegneten, zu identifizieren. Für
Naturforscher war diese Wüste ein Traum; Neal spielte bereits mit dem Gedanken
- hoffte sogar -, er würde vielleicht über eine Spezies stolpern, die noch kein
Weißer zu Gesicht bekommen hatte. Dann würde ihm die Ehre zufallen, diesem Tier
seinen Namen zu geben.
Mittags
begann sein Magen zu knurren. Er blickte zurück zu den Felsen, zwischen denen
der Clan in den letzten Tagen sein Lager errichtet hatte. Dort gab es Wasser
und kleine Tiere, und keiner hatte gesagt, er dürfe dort nicht bleiben.
Andererseits würde man dann nicht von einer »Wanderung« sprechen können. Und
der Zweck dieses Rituals schien der zu sein, auf einem Marsch geistige
Erleuchtung zu erfahren.
Dennoch
trieben ihn Hunger und Vernunft zum vormaligen Lager zurück, wo er aus dem
artesischen Brunnen trank und sich einen fetten Gecko briet. Die Hitze am
Nachmittag verschlief er.
Als er
nach Sonnenuntergang aufwachte, beschloss er, auch noch die Nacht über zu
bleiben und erst am nächsten Morgen loszuziehen. Und so saß er da, den Rücken
an den Stamm des einsamen Mulgabaums gelehnt, und schaute zum Himmel empor.
Dieser des
Nachts über und über funkelnde Baldachin, den man über den Städten nie zu sehen
bekam, war ihm inzwischen vertraut. Während er lauschte, ob sich etwa ein
beutegieriges Tier in der Nähe herumtrieb, sann er über sein Leben nach. Er
dachte an seinen zwölften Geburtstag, als Josiah Scott ihm eröffnet hatte, er
sei jetzt alt genug, um die Wahrheit zu erfahren. »Ich bin dein Adoptivvater«,
hatte er gesagt und Neal die Wiege gezeigt, die Decke, die smaragdgrüne
Flasche, in der er so lange Parfüm vermutet hatte. Niemals würde Neal
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