Wood, Barbara
Iverson,
wie kann es sein, dass sich auch Nicht-Wöchnerinnen infizieren?«
»Ich weiß
es nicht, Miss Conroy. Die Situation hat sich plötzlich zugespitzt. Auch Dr.
Soames weist Symptome der Infektion auf.«
Hannah war
verblüfft. »Das kann doch nicht sein«, flüsterte sie.
»Dann
kommen Sie mal mit.«
Hannah
erschrak, als sie Dr. Soames in Oberhemd und Hosen auf der Pritsche liegen sah;
die Schuhe hatte er ausgezogen, Mantel und Hut hingen auf einem Kleiderständer.
Er hatte die Augen geschlossen, sein Gesicht glühte fiebrig.
»Ich habe
ihm ein Sedativ verabreicht«, sagte Iverson leise. »Wir lassen ihn erst mal
schlafen.«
Sie
verließen den Raum wieder, zogen die Tür zu. »Dr. Iverson, wie kann Dr. Soames
eine typische Frauenkrankheit haben? Kindbettfieber ist eine Infektion des
Uterus.«
»Das ist
auch mir ein Rätsel.« Er rieb sich die Stirn. »Ehrlich gesagt, bin ich mir noch
keineswegs sicher, dass es sich hier wirklich um Kindbettfieber handelt. Es
könnte etwas ganz anderes sein. Aber da sich jetzt bereits zwei weitere
Nicht-Wöchnerinnen angesteckt haben, Miss Conroy, halte ich es für angeraten,
Dr. Soames erst einmal hier zu belassen.«
Iverson
trat an die Bücherwand und überflog die Titel auf den Buchrücken. »In Anbetracht
der Katastrophe, die sich meiner Meinung nach abzeichnet, muss ich, um noch Schlimmeres zu verhüten, der Ursache dafür so bald wie
möglich auf den Grund kommen. Ich hoffe nur, dass ich die Antwort irgendwo in
diesen Büchern finde.«
Hannah
hingegen kam eine andere Idee.
45
Sie
deutete auf einen Punkt auf Neals Karte. »Die Brookdale Farm liegt hier.«
Sie
standen auf den Stufen, die zu ihrem abseits der Collins Street gelegenen roten Backsteinhaus hinaufführte, vor dem ein
Messingschild neben der Eingangstür besagte, dass hier Hannah Conroy, Diplomierte Hebamme und Heilpraktikerin ihre
Praxis hatte. Es war um die Mittagszeit, und Neal war gekommen, um Lebewohl zu
sagen.
Er merkte
sich den angegebenen Punkt - auf halbem Weg zwischen Melbourne und den
Goldminen von Bendigo -, faltete dann die Karte zusammen und steckte sie ein.
»Großes Versprechen, dass ich dort anhalte und mir alles mal anschaue.« Die
warme Brise spielte mit einer Strähne, die sich aus Hannahs Haar gelöst hatte. Neal strich sie ihr zärtlich hinters Ohr zurück.
Ein
beklemmendes Gefühl überfiel Hannah. Neals Berührung, seine Nähe, die
Einzelheiten seines Gesichts weckten erneut ihr Verlangen. Aber hier, am
helllichten Tag auf einer belebten Straße galt es, Haltung zu bewahren, so
schwer ihr das auch fiel. »Wenn du Mr. Samson Jones, den Grundstücksmakler,
triffst, dann richte ihm bitte aus, dass ich so schnell wie möglich einen
Vertrag mit Mr. Swanswick unterzeichnen möchte.«
Neal
beabsichtigte, sich allein auf den Weg zu machen. Seine fotografische
Ausrüstung hatte er in einem Einspänner verstaut, ein Ersatzpferd war hinten
angekoppelt. Wie lange er wegbleiben würde, war schwer abzuschätzen, was
Hannah unwillkürlich daran denken ließ, dass es nicht anders sein würde, wenn
sie erst einmal verheiratet waren - auf einen Abschied würde der nächste
folgen, immer wieder würde Neal ins Unbekannte aufbrechen.
»Das mache
ich«, sagte er leise und schaute ihr in die Augen. Obwohl es ihn drängte, sich
auf den Weg zu machen und die Höhle der Hände zu erforschen, und obwohl Hannah
schleunigst wieder ins Hospital wollte, brachte es keiner der beiden über sich,
als Erster »Lebewohl« zu sagen. Da hatten sie sich nach so langer Zeit, in der
Hannah Neal für tot gehalten und Neal verzweifelt nach Hannah gesucht hatte,
endlich wiedergefunden, hatten sich die Nacht über einander hingegeben und
Zukunftspläne geschmiedet, und jetzt sollten sich ihre Wege erneut trennen.
Aber da
gab es noch mehr. Hannah war mit besorgniserregenden Nachrichten aus dem
Hospital zurückgekommen. Eine lebensgefährliche Seuche breitete sich auf
unerklärliche Weise aus. Sogar einer der Ärzte war bereits davon betroffen.
Neal erwog, hier zu bleiben. Wenn sich nun auch Hannah ansteckte? Aber sie
bestand darauf, dass er zur Höhle der Hände aufbrach, ehe sich dort Goldgräber
über sie hermachten.
Auch
Hannah dachte an das Hospital und an die dort drohende Gefahr. Böse Vorahnungen
erfüllten sie. Eine nicht einzudämmende lebensbedrohliche Krankheit in
Melbourne, und wieder ließ Neal sie allein zurück. Aber sie schluckte ihre
Angst hinunter und gestand ihm nicht ein, dass sie mit
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